Kann man einen Roman sachlicher beginnen? „Dies ist die Geschichte der Blumenbinderin und Kranfahrerin Hanna Krause, die zwei Revolutionen, zwei Diktaturen, einen Aufstand, zwei Weltkriege und zwei Niederlagen, zwei Demokratien, den Kaiser und andere Führer, gute und schlechte Zeiten erlebt hat, die bis auf ein paar Monate im Berlin der frühen 1930er Jahre nie aus Magdeburg hinauskam, sechs Kinder geboren hat und zwei davon nicht begraben konnte, was ihr naheging bis zum Lebensende.“
Damit ist im Grunde alles gesagt, aber nun geht es erst richtig los. Annett Gröschner, 1964 in Magdeburg geboren, übernimmt in ihrem neuen Roman die Verantwortung dafür, von einer Frau zu erzählen, deren Schicksal möglicherweise ganz und gar nicht außergewöhnlich ist.
Doch Geschichten wie diese sind bislang mehr oder weniger unerzählt geblieben, weil sie unter dem Radar der großen historischen Umbrüche liefen. Hanna Krause heißt die Protagonistin des Romans, der erstaunlicherweise nicht für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war, obwohl er dafür eigentlich prädestiniert gewesen wäre.
Hanna wird 1913 geboren und stirbt Mitte der 1990er Jahre. In einem unsentimentalen Tonfall rekapituliert Gröschner all die Katastrophen und Glücksmomente dieses Lebens. Wie nebenbei lernt man sehr viel in diesem Buch, ohne dass es didaktisch daherkommt. „Schwebende Lasten“ ist im besten Sinne lebendige Geschichtsschreibung. Hannas Credo quer durch die wechselnden Machtverhältnisse und ideologischen Untiefen des 20. Jahrhunderts lautet: „Anständig bleiben.“