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Christian Kracht: Air

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Es geht nicht um Sympathie, wenn man feststellt, dass Christian Kracht wohl doch die undurchdringlichste, rätselhafteste Figur der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur ist. Ein neuer Kracht ist noch immer ein Ereignis, wird durchanalysiert, gesellschaftlich gedeutet und in seiner Mehrdeutigkeit verstanden oder missverstanden. Bereits vor Erscheinen von „Air“, Krachts siebtem Roman seit 1995, als er „Faserland“ publizierte, gab es bereits aufgeregte Artikel von Literaturjournalisten, die kundtaten, dass sie den Rummel um das neue Buch nicht mitmachen würden.

Und worum geht es nun? „Air“ eröffnet mit der detaillierten Beschreibung des Interieurs eines kleinen Hauses am Meer in der schottischen Stadt Stromness, gelegen auf der Insel Mainland. Auf dem Sofa des Hauses liegt Paul und wacht aus einem Alptraum auf. Paul ist von Beruf Innenarchitekt, und als er sein Laptop öffnet, findet er in seinem Postfach eine Nachricht mit einem Angebot:

In dem ersten Mail wollte man, daß er für die Zeitschrift Kūki das perfekte Weiß fand. Eine immense dunkle Halle sollte weiß angestrichen werden, in Norwegen, mit Hektolitern Farbe. Er solle sich doch bitte zur Besprechung im Büro in Stavanger einfinden, Flugticket anbei, Business. Viel Geld sei im Spiel, vielleicht hundertfünfzigtausend.

In einer Parallelwelt lebt ein neunjähriges Mädchen namens Ildr in einer traumähnlichen Welt, und in diese Welt wird Paul aufgrund einer Sonneneruption hineingeschleudert. Ist Christian Kracht, das große Chamäleon, nun also unter die Fantasy-Autoren gegangen? Und wenn ja, wäre das schlimm, wenn es elegant gemacht ist?

Einsamkeit, Schönheit, Gewalt Warum „Netflix“ schauen, wenn man Christian Krachts „Air“ lesen kann?

„Wohin ging es nur“ – Der Schriftsteller Christian Kracht schickt seine Figuren im neuen Roman „Air“ in eine grausame Fantasy-Welt.
Rezension von Carsten Otte

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