Betty Paoli? Ja, zum einen ein Pseudonym, zum anderen aber auch ein weiteres Indiz dafür, dass historisch interessante Frauen leichter in Vergessenheit geraten als Männer. Barbara Elisabeth Glück wurde 1814 in Wien geboren, war offiziell die Tochter eines Militärarztes, in Wahrheit aber wohl, so bezeugen es mehrere Quellen, das leibliche Kind des ungarischen Fürsten Nikolas von Esterházy. Ihre ersten Gedichte veröffentlichte Paoli im Alter von 17 Jahren. Ob es eine gute Idee ist, ausgerechnet Adalbert Stifter als Gewährsmann für die Qualität von Paolis Kunst zu zitieren? Warum eigentlich nicht: „Das Weib ist durch und durch Genie.“ Auch als Essayistin hatte Paoli sich einen Namen gemacht.
Konkurrenzlos, so schreibt Herausgeberin Karin S. Wozonig in ihrem Nachwort dieser Ausgabe, sei Paoli in ihrer Epoche im deutschsprachigen Raum gewesen; eine Dichterin, „die sich in den poetischen Diskurs, zumal in die Liebeslyrik, selbstbewusst und kritisch mit einer eigenen, weiblichen Position einklinkte und alle lyrischen Formen beherrschte.“ Paolis Gedichte haben Leichtigkeit im Ton und Gewicht im Inhalt.
Gleich das erste Gedicht trägt den provokanten Titel „An die Männer unserer Zeit“ und hebt folgendermaßen an: „Spotten hör’ ich Euch und zürnen ob der Frauen Wankelmuth, / Ob in zarten Mädchenherzen gar zu leicht entbrannter Glut, / Ob der Leere, die da waltet in so manches Weibes Sinn, / Und wie leicht es Lieb’ und Treue gibt für Erdenlust dahin.“ Und wer jetzt als männlicher Kritiker einwendet, dass das Reimpaar „Sinn“ und „hin“ nicht eben originell ist, sei auf das Ende des Gedichts verwiesen: „Doch wohl nimmer wird man schauen, daß Ihr fühlt, wie’s unrecht sey, / And’rer Fehler zu bekritteln, wenn man selbst nicht fehlerfrey.“