Planung und Bau des Holocaust-Mahnmals waren überfrachtet mit Warnungen und Kritik. Fünf bekannte Befürchtungen – und weshalb sie sich nicht bewahrheitet haben:
- Das Holocaust-Mahnmal: eine „Moralkeule“?
- Posieren für Selfies: Ist das respektlos?
- Mahnmal mit Museum: Wozu ein „Ort der Information“?
- Ist das ok, wenn Kinder auf den Stelen spielen?
- Die Erinnerungsstätte – ein „Denkmal der Schande“?
Das Holocaust-Mahnmal: eine „Moralkeule“?

Diese Befürchtung äußerte vor allem der Schriftsteller Martin Walser. 1998 hielt er seine berüchtigte Rede in der Frankfurter Paulskirche von 1998, zur Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels. Auch der Begriff der Moralkeule (mit Blick auf das Mahnmal) stammt von Walser.
Der Schriftsteller befürchtete, das Denkmal würde die deutschen Verbrechen banalisieren. Ein Denkmal als Betroffenheitskitsch, der erhobene Zeigefinger als steingewordene Geste.
Eine Generation später ist klar: Die meisten Menschen scheinen das Mahnmal so nicht wahrzunehmen. In jedem Jahr kommen Millionen. Das Stelenfeld löst offenbar keinerlei Schwellenangst aus. Kinder spielen dort, Menschen posieren für Selfies. Das Holocaust-Mahnmal gilt im hektischen Berlin geradezu als fröhlicher Ort.
Posieren für Selfies: Ist das respektlos?

Zum Holocaust-Mahnmal kommen hunderttausende Touristen, viele von ihnen aus anderen Ländern. Oft haben sie keine klare Vorstellung, woran das Mahnmal erinnert. Das sei nicht schlimm, findet die Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann, eine der Initiatorinnen des Mahnmals.
Was die Menschen im Stelenfeld erlebten, sei das Gefühl des Ausgesetztseins – auch mit eigenen Empfindungen allein zu bleiben. Oft erwache das Interesse am Thema Holocaust erst nach dem Besuch des Denkmals, sagt Assmann im Interview mit dem Deutschlandfunk.
Mahnmal mit Museum: Wozu ein „Ort der Information“?

Das Museum unter dem Stelenfeld war anfangs hochumstritten. Betont nüchtern wurden die Ausstellungsräume als „Ort der Information“ bezeichnet. Gedenken und Informieren zugleich? Auch der Mahnmal-Erfinder, der Architekt Peter Eisenman, war anfangs skeptisch mit Blick auf das Konzept.
Er habe, passend zu früheren Plänen, lediglich einen Raum der Stille konzipiert, sagte er in der Dokumentation von SWR Kultur-Redakteur Frank Hertweck über Planung und Bau des Mahnmals. Mittlerweile kommen bis zu 500.000 Menschen jährlich in die von Dagmar von Wilcken gestalteten Räume. Der „Ort der Information“ hat sich etabliert.
Ist das ok, wenn Kinder auf den Stelen spielen?

Erstaunlich genug für ein offenes Gelände: Das Holocaust-Mahnmal hat eine Hausordnung. Demnach sind viele Dinge eigentlich verboten: Rennen, Lärmen, das Springen von Block zu Block, Rauchen und auch Alkoholkonsum.
Dennoch stört sich selten jemand daran, dass Kinder zwischen den Steinen herumtoben oder von einer Stele zur nächsten springen. Benutzen solle man das Denkmal, hat Architekt Peter Eisenman früher gesagt. Jugendliche werden nach Anweisung der Stiftung des Denkmals allenfalls mündlich ermahnt. Würde die Erinnerungsstätte nicht einschüchternd wirken, wenn alle Verbote ständig durchgesetzt würden?
Die Erinnerungsstätte – ein „Denkmal der Schande“?

2017 hat der AfD-Politiker und Rechtsextremist Björn Höcke diesen Ausdruck verwendet. Bis heute ist die Empörung darüber groß. Höckes Vorwurf zielt darauf, die Deutschen würden sich mit dem Holocaust-Mahnmal einen Schuldkomplex selbst einimpfen.
Das ist nicht neu. Rechtsextremisten haben in Deutschland immer wieder die reale deutsche Verantwortung für den Holocaust geleugnet. Es geht dabei um deutlich mehr als einen „Schuldkomplex“. Doch auch unabhängig davon zielt der Vorwurf ins Leere.
Das Holocaust-Mahnmal nämlich deutet nicht auf Täter. Es benennt keine Verantwortlichen. Es ist eine offene Allegorie, die den Besucherinnen und Besuchern ihre eigenen Gedanken lässt. Vermutlich ist das der Grund für die große Beliebtheit des Mahnmals.