Zivilgesellschaft in jedem Alter

Wenn die Omas aufstehen – Seniorinnen im Kampf für Demokratie und Klimaschutz

Stand
Autor/in
Giordana Marsilio
Giordana Marsilio

Von „Omas gegen Rechts“ bis „KlimaSeniorinnen“: Viele Ältere setzen sich für Demokratie und die Zukunft ihrer Enkel ein. Sie stammen aus der einstigen Protestgeneration – ihre Anliegen sind gleich geblieben.

Auf ihrer Website formulieren die „Omas gegen Rechts“ ihr Anliegen klar: „Mit unserem Verein wollen wir einen Beitrag zum Schutz der Demokratie leisten und auf die bedrohliche Zunahme von Faschismus, Rassismus, Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit reagieren – denn die Würde des Menschen ist unantastbar.“
Auf ihrer Website formulieren die „Omas gegen Rechts“ ihr Anliegen klar: „Mit unserem Verein wollen wir einen Beitrag zum Schutz der Demokratie leisten und auf die bedrohliche Zunahme von Faschismus, Rassismus, Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit reagieren – denn die Würde des Menschen ist unantastbar.“

Man sagt, die Zukunft gehört den Jungen. Doch müssen sie wirklich allein für eine bessere Welt kämpfen? Viele Senior*innen glauben das nicht – vor allem Frauen, die sich für kommende Generationen eine gerechtere und demokratischere Zukunft wünschen und aktiv dazu beitragen wollen.

2017 erlebte Österreich einen politischen Rechtsruck: Der damalige Regierungschef Sebastian Kurz von der ÖVP bildete eine Koalition mit der rechtsextremen FPÖ. Als Reaktion darauf gründete die Theologin und Psychotherapeutin Monika Salzer in Wien die Bürgerinitiative „Omas gegen Rechts“ – als Zeichen gegen den politischen Kurs des Landes.

Das deutsche Pendant

Nur ein Jahr später nahm sich Anna Ohnweiler die österreichischen Frauen zum Vorbild und rief das deutsche Pendant mit gleichem Namen ins Leben.

Anfangs war es eine kleine Gruppe, die sich über Facebook organisierte. Doch schnell wuchs daraus eine bundesweite Bewegung. Es mache Mut, dass „so viele, gerade ältere Menschen zusammenkommen, um sich für ein Ziel einzusetzen“, sagt Ohnweiler im Gespräch mit SWR Kultur.

In der Gruppe seien vor allem Menschen, die in der Nachkriegszeit aufgewachsen sind. „Wir haben seinerzeit unsere Eltern gefragt, was sie gegen die Nazis getan hatten, weswegen sie nichts unternommen oder einfach nur weggesehen hatten“, beschreibt Schriftführerin Irene Fromberger ihr Anliegen auf der Website.

Ihre Eltern seien teilweise traumatisiert gewesen, sagt Ohnweiler in SWR Kultur: „Sie haben geschwiegen, wenn man Fragen gestellt hat“. Gemeinsam mit der heutigen Eltern- und Großelterngeneration möchte der Verein verhindern, dass so etwas wieder passiert.

„Omas gegen Rechts“, das sind wir, und zusammen sind wir hier, weil wir wollen, dass die Welt unsern Enkeln noch gefällt, wenn sie selber Omas sind!

Mittlerweile gibt es zahlreiche Ortsgruppen, die sich ehrenamtlich engagieren und aktiv gegen Rechtsextremismus und für Demokratie eintreten.

Für ihr Engagement erhielt 2020 die Bewegung „Omas gegen Rechts“ den Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage des Zentralrats der Juden in Deutschland. Im Bild Gerda Smorra (li) und Anna Ohnweiler bei der Verleihung.
Für ihr Engagement erhielt 2020 die Bewegung „Omas gegen Rechts“ den Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage des Zentralrats der Juden in Deutschland. Im Bild Gerda Smorra (li) und Anna Ohnweiler bei der Verleihung.

Ehrenamtliche Arbeit

Zuletzt gerieten die „Omas gegen Rechts“ in die Schlagzeilen, weil die Union staatlich mitfinanzierte Projekte auf politische Neutralität überprüfen lassen will – darunter auch diese Initiative. „Das hat uns gewundert“, sagt Ohnweiler, denn die Bewegung hat weder staatliche Fördermittel beantragt noch erhalten. „Wir arbeiten rein ehrenamtlich.“

Tatsächlich gibt es mittlerweile zwei große Zusammenschlüsse, die aus derselben Gruppe entstanden sind: „Omas gegen Rechts Deutschland e.V.“ und „Omas gegen Rechts Deutschland Bündnis“. Die Verwechslung der beider sorgte für zusätzliche Verwirrung.

Die Initiative „Omas gegen Rechts“ gibt es zudem längst nicht mehr nur im deutschsprachigen Raum. Neben Österreich, Deutschland, der Schweiz und Südtirol existieren weitere Gruppen dieser Art wie in Polen „Stowarzyszenie Polskie Babcie“ („Verband polnischer Omas“).

Auch in Polen gibt es eine Gruppe von Omas gegen Rechts: Sie setzen sich für Demokratie, Menschenrechte und die Zukunft kommender Generationen und tragen bei den Protesten die Regenbogenflagge.
Auch in Polen gibt es eine Gruppe von „Omas gegen Rechts“: Sie setzen sich für Demokratie, Menschenrechte und die Zukunft kommender Generationen und tragen bei den Protesten die Regenbogenflagge.

Protest und Klimaschutz ist nicht nur ein Thema der Jugend

Neben den „Omas gegen Rechts“ sind die „KlimaSeniorinnen“ eine bekannte Gruppe, die sich für gesellschaftliche Themen stark macht.

Nachdem Greta Thunberg 2018 als Schülerin zum Gesicht der „Fridays for Future“-Bewegung wurde, schien die Klimakrise die vergangenen Jahre vor allem von Jugendlichen thematisch besetzt zu gewesen: Hunderttausende junger Menschen beteiligten sich an Protesten, weitere Gruppen wie die „Letzte Generation“ folgten.

Während die jungen Gruppen sich zuletzt zu verlaufen schienen, treten ältere Frauen dabei wie Dauerkämpferinnen hervor. Viele von ihnen waren schließlich junge Erwachsene, als in den 1970er-Jahren für Geschlechtergerechtigkeit, gegen Atomkraft und für eine saubere Umwelt protestiert wurde.

Am 9. April 2024 errang die Bewegung „KlimaSeniorinnen“ vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ihren ersten Sieg in einer Klimaschutzklage.
Am 9. April 2024 errang die Bewegung „KlimaSeniorinnen“ vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ihren ersten Sieg in einer Klimaschutzklage.

Ein historisches Urteil in Straßburg

Dass sich die Klimakrise nicht nur auf jüngere Generationen auswirkt, wissen die sogenannten „KlimaSeniorinnen“ in der Schweiz. Rund 150 ältere Frauen, durchschnittlich 73 Jahre alt, schlossen sich 2016 zusammen, um „für den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlage“ einzusetzen, lautet es auf ihrer Website.

Die Seniorinnen erklärten, besonders ältere Frauen seien von den Folgen der Erderwärmung, etwa extremer Hitze, betroffen. Die „KlimaSeniorinnen“ klagten vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg gegen den Schweizer Staat: Dessen Tatenlosigkeit angesichts der Klimakrise verletzte ihre Menschenrechte.

Der EGMR gab der Klage 2024 statt – ein historisches Urteil, das international für Aufmerksamkeit sorgte. Es verpflichtet erstmals einen Staat, umgehend strengere Klimaschutzmaßnahmen umzusetzen.

Der Dokumentarfilm „Trop Chaud“ (deutsch: „zu warm“) beleuchtet die Entstehung und den Kampf der „KlimaSeniorinnen“.

„Raging Grannies“ in Kanada

Der Einsatz älterer Frauen für Demokratie und soziale Gerechtigkeit ist dabei kein neues Phänomen. Bereits Ende der 1980er-Jahre gründeten Friedenaktivistinnen im kanadischen Victoria, die „Raging Grannies“ („wütende Omas“). Die Bewegung verbreitete sich auch in den Vereinigten Staaten und wurde besonders laut, als sie gegen den Irak-Krieg und die Politik von George W. Bush protestierten.

Und auch heute ist die Gruppe wieder aktiv: Anfang März demonstrierten sie vor der US-Botschaft in Ottawa gegen die Politik von Präsident Donald Trump gegenüber Kanada, der Ukraine und der liberalen Weltordnung. Es sind heute andere „Grannies“ als in den 1980er-Jahren, doch das demokratische Anliegen dieser Gruppe ist das gleiche geblieben.

Freiburg

Umstrittene Anfrage zu NGO-Finanzierung Demo in Freiburg gegen Unionsanfrage zu NGOs - Merz verteidigt sich

Anfang März gegen Merz: Am Samstag haben in Freiburg Hunderte gegen die CDU-Anfrage zur Finanzierung von NGOs demonstriert. Dazu aufgerufen hatten unter anderem Studis gegen Rechts.

SWR Aktuell Baden-Württemberg mit Dreiland Aktuell SWR BW

„Alte Frauen sitzen nicht zu Hause und stricken!” Mechthild (79) setzt sich für Demokratie ein

Mechthild wird kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs geboren. Während sie in der Schule mehr über diese Zeit erfährt, herrscht in ihrer Familie Schweigen. Heute engagiert sie sich bei „Omas gegen Rechts”. 

Aus Sorge über den Rechtsruck in der Gesellschaft "Omas gegen Rechts" in Traben-Trarbach zeigen Flagge

Walburga Baedorf und Ulrike Böcking haben vor Kurzem eine Gruppe der "Omas gegen Rechts" in Traben-Traben mitgegründet. Ihnen macht der Rechtsruck in der Gesellschaft Sorge.

Landesschau Rheinland-Pfalz SWR RP