Rund 90 Millionen Euro sollen im neuen Doppelhaushalt 2024/25 pro Jahr eingespart werden. Auf der Streichliste standen auch die Fördergelder für die freien Kultureinrichtungen in der Stadt, denn diese zählen zu den sogenannten „freiwilligen Leistungen“ und können jederzeit verringert werden.
Fast 20 Kultureinrichtungen in der Stadt haben sich zum „Kulturring Karlsruhe e.V.“ zusammengeschlossen und protestierten seit Wochen gegen die drohenden Kürzungen. Fast 7.000 Unterschriften haben sie dafür gesammelt.
Seit dem 21. November sind Kürzungen vom Tisch, damit ist aber noch nichts gewonnen, sagen die Kultureinrichtungen. Der „Kulturring“ fordert höhere kommunale Zuschüsse, die zumindest die ständig steigenden Kosten und die Inflation ausgleichen und verweist darauf, dass seine Einrichtungen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.
Die Einrichtungen sagen, dass sie Inklusion, Partizipation und Toleranz leben, Bildung fördern und somit auch „Identitätsstifter und Impulsgeber der Demokratie“ sind. SWR2 hat bei Kultureinrichtungen in Karlsruhe nachgefragt, wie sie ihre Lage sehen.
Das Sandkorn
„Das Sandkorn“ ist ein Privat-Theater, das mit dem Slogan „Theater & Mehr“ wirbt. Für die beiden Bühnen werden vor allem eigene Stücke zu aktuellen Themen entwickelt – für Erwachsene und Kinder.
Wo drückt der Schuh zur Zeit am meisten?
„Trotz sehr guter Auslastung und meist ausverkauftem Haus steuern wir auf ein strukturelles Problem zu“, heißt es von Daniela Kreiner, Geschäftsführerin des Sandkorn Theaters. Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben gingen „immer weiter auseinander“. Grund hierfür seien die „exorbitant gestiegenen Kosten für technisches Personal, Energie, Miete der Büroräume und allgemein gestiegenen Preise aufgrund der Inflationsrate“.
Die Fixkosten des Betriebes könnten nicht länger durch eigene Einnahmen, Sponsoring oder Spenden und seit zwei Jahrzehnten nicht erhöhten Zuschüssen gedeckt werden. „Bei einer maximalen Auslastung von 160 Plätzen ist die Einnahmegrenze schnell erreicht“, führt Kreiner aus. „Die Kürzungen sind nur die Spitze des Eisberges, die seit über 20 Jahren gleichgebliebenen Zuschüsse von Stadt und Land bedeuten ja faktisch auch eine stetige Kürzung.“
Was würde verloren gehen, wenn es nicht zu der geforderten Erhöhung der Zuschüsse kommt?
„Wir sind einer der Eckpfeiler der Karlsruher Kultur und bieten seit vielen Jahren einen engagierten und vielfältigen Spielplan, der aktuelle Themen für verschiedene Altersgruppen künstlerisch aufgreift und die Möglichkeit gibt, sich mit unterschiedlichen, auch ernsten Themen auseinanderzusetzen. Bei uns geht es im Hinblick auf die nächsten beiden Jahre ums Ganze“, so Daniela Kreiner.
Man werde über Abstriche nachdenken müssen – „vor allem in den Bereichen, in denen nicht kostendeckend gearbeitet werden kann, also im Kinder- und Jugendbereich, sowie bei Theaterstücken mit gesellschaftspolitischen, ernsteren Themen, die weniger Zuspruch finden als die reine Unterhaltung. Unterhaltung mit Haltung ist aber in Krisenzeiten wichtiger denn je.“
WERKRAUM: Karlsruhe e.V.
In dem Verein entstehen Theaterstücke, Filme und medienpädagogische Projekte von gesellschaftspolitischer und sozialer Relevanz. Der „Werkraum“ versteht sich als Initiator, Bindeglied und Veranstalter von Kunst und Kultur in Karlsruhe.
Wo drückt der Schuh zur Zeit am meisten?
„Unsere Gehälter liegen momentan deutlich unter dem TVöD (Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst). Sollte es keine Erhöhung und Dynamisierung der Zuschüsse und eine dadurch mögliche Dynamisierung der Gehälter geben, kann unser Verein seinen Mitarbeitenden auf Dauer keine sichere Zukunftsperspektive bieten“, sagt Ines Miosga, bei „Werkraum“ für Finanzen, Organisation und Verwaltung zuständig.
Was würde verloren gehen, wenn es nicht zu der geforderten Erhöhung der Zuschüsse kommt?
„Gegebenenfalls müssen unsere Mitarbeitenden ihre Stunden reduzieren, um auch außerhalb unseres Vereins ihre Einkünfte zu erzielen. Eine Reduzierung der Stunden bedeutet, wir können weniger Projektanträge stellen und damit weniger kulturelle Projekte für Kinder und Jugendliche anbieten, die gerade bei uns vor allem aus finanziellen, sozialen und bildungsbezogenen Risikolagen kommen“, meint Ines Miosga.
Und weiter: „Das wäre bitter und geht mit Sicherheit in die falsche Richtung. Kulturelle Kinder- und Jugendarbeit sollte gestärkt und weiterentwickelt und nicht gekürzt werden. Und: Es sind bereits zwei Mitarbeitende, die FSJ-Stelle und unser zweiter Proberaum verloren gegangen, da die Zuschüsse ja tatsächlich von Jahr zu Jahr ,weniger wert‘ wurden.“
„Wichtig über unseren Verein zu wissen ist: wir gehören zwar zur kulturellen Landschaft in Karlsruhe, können aber durch unsere kulturelle Bildungsarbeit kaum Gewinne erzielen, was durch unser Konzept und individuelle Förderrichtlinien vorgegeben wird“ bilanziert Miosga.
Tollhaus Karlsruhe e.V.
Das „Tollhaus“ ist ein sozio-kulturelles Zentrum und einer der größten Kulturveranstalter in freier Trägerschaft in Karlsruhe. In den zwei Sälen finden vor allem Konzerte, Lesungen, Diskussionen, Kabarett und Comedy statt. Das Tollhaus organisiert außerdem jährlich das Sommer-Musikfestival „ZELTIVAL“ und das „ATOLL“-Festival für zeitgenössischen Zirkus.
Wo drückt der Schuh zur Zeit am meisten?
„Das Ungleichgewicht zwischen den seit Jahren gleichbleibenden Zuschüssen und den seit Jahren kontinuierlich steigenden Kosten für Mieten, Personal, Energie und vieles andere bedeuten für uns alljährlich Kürzungen.
Um die Qualität zu erhalten, den Generationenwechsel zu ermöglichen und neue Projekte anstoßen zu können, brauchen wir dringend eine Erhöhung und Dynamisierung der Zuschüsse“, sagt „Tollhaus“-Leiterin Britta Velhagen.
Da die Miete, wie jene von zahlreichen anderen Kulturreinrichtungen auch, direkt an die Stadt zurückgehe, und diese an den Preisindex gebunden sei, sei diese im vergangenen Jahr um acht Prozent gestiegen.
„Das ist natürlich nur eine Sache von vielen Mehrkosten, die wir stemmen müssen. Da wir unsere Veranstaltungen einem breiten Publikum zugänglich halten wollen, können wir da nicht an der Preisschraube drehen“, so Velhagen weiter.
Was würde verloren gehen, wenn es nicht zu der geforderten Erhöhung der Zuschüsse kommt?
„Wir stehen vor großen Herausforderungen und müssen und wollen in unseren Häusern den gesellschaftlichen Diskurs ermöglichen“, so die „Tollhaus“-Leiterin. Dies geschehe durch politische Kabarett-, Tanz- und Musik-Veranstaltungen wie auch durch oftmals eintrittsfreie Vorträge, Podien, Lesungen oder Ausstellungen.
„Diese Arbeit ist nicht kostendeckend zu gestalten und auch durch Querfinanzierung nicht ausreichend zu finanzieren“, sagt Britta Velhagen. „Auch wenn wir durch die öffentliche Hand vergleichsweise knapp gefördert werden, brauchen wir dennoch unbedingt diesen finanziellen Rückhalt, um nicht nur wirtschaftlich lohnende Angebote machen zu können. Unsere Arbeit sollte der Stadt-Politik etwas wert sein.“