Nach dem schrecklichen Fall von Gisèle Pelicot sei Frankreich definitiv bereit für eine Verschärfung des Strafrechts in Bezug auf Vergewaltigung, sagt Emilia Roig im Gespräch mit SWR Kultur. Heute wird in der französischen Nationalversammlung über die Aufnahme des „Ja heißt Ja“-Prinzips in das französische Strafrecht debattiert.
Dieses Prinzip sei besser als das „Nein heißt Nein“, da Letzteres möglicherweise Spielraum für Interpretationen lassen könne. Das „Ja“ hingegen „könnte einen besseren Schutz für Frauen darstellen, weil die Zustimmung ausdrücklich geäußert werden muss“, so Roig.
Es gehe heute nicht nur um eine mögliche neue strafrechtliche Regelung, sondern auch um die Debatte über eine „Vergewaltigungskultur“. Daher ist Roig skeptisch, was die „Individualisierung von Phänomenen“ angehe. Im Fall Gisèle Pelicot, die eine bestimmte gesellschaftliche Klasse verkörpere, stelle sich die Frage: „Hätten wir auch so darüber gesprochen, wenn sie einer bestimmten Arbeiterklasse angehört, eine Migrantin oder eine Frau mit Behinderung gewesen wäre?"
Roig hält es für notwendig, über das Thema „Vergewaltigungskultur“ zu sprechen, betont jedoch, dass es wichtig sei, dieses Thema von der individuellen Person zu entkoppeln.
Emilia Roig bei SWR Kultur
Entscheidende Phase im Vergewaltigungsprozess Emilia Roig zum Pélicot-Prozess: Die Scham ablehnen und aus der Opferrolle aussteigen
Das Thema sexualisierte Gewalt in Familien sei durch den Pélicot-Prozess in Avignon eindeutig sichtbarer geworden, sagt die Autorin und feministische Aktivistin Emilia Roig.
Buchkritik Emilia Roig – Das Ende der Ehe. Für eine Revolution der Liebe
Viele feministische Debatten in Politik und Medien drehen sich derzeit um die ungleiche Verteilung von Care-Arbeit, eingeschränkte Karrierechancen oder Lohnunterschiede. Die Gründerin des Center for Intersecitonal Justice, Emilia Roig, meint: Eine der Hauptursachen solcher Geschlechterungerechtigkeiten ist die Art und Weise, wie Liebesbeziehungen organisiert sind – zum Beispiel in der Ehe. In „Das Ende der Ehe. Für eine Revolution der Liebe" fordert sie dazu auf, die tradierten Vorstellungen von Geschlecht, Sexualität und Liebe völlig neu zu denken, um patriarchale Strukturen zu überwinden.
Rezension von Judith Reinbold.
Ullstein Verlag, 384 Seiten, 23 Euro
ISBN 978-3-55020-228-5
Der Fall Pelicot
Gespräch Urteil im historischen Gerichtsprozess: „Gisèle Pélicot hat eine unglaubliche Kraft ausgestrahlt“
Der Gerichts-Prozess zur Massenvergewaltigung von Gisèle Pélicot ist keine Blaupause für andere Prozesse, da die Beweislage so eindeutig war, so Autorin Rebekka Endler.
Pelicot-Prozess: Wie kann man Frauen besser vor Gewalt schützen?
Es passiert immer wieder: Ein Mann betäubt eine Frau und vergewaltigt sie, so wie im Fall von Gisèle Pelicot. Ihr Ehemann hatte andere Männer eingeladen, sie ebenfalls zu vergewaltigen. Dafür hat ihn ein Gericht in Avignon gerade zu 20 Jahren Haft verurteilt. Unabhängig von diesem Prozess ist die Frage: Was muss geschehen, um Frauen besser zu schützen? Darüber hat SWR-Aktuell-Moderator Andreas Böhnisch mit der Psychologin Charlotte Hirz gesprochen, sie arbeitet mit Betroffenen sexualisierter Gewalt.