Tag des Bieres

Bier als Frauensache: Brauende Frauen von Babylon über Hildegard von Bingen bis heute

Stand

Von Autor/in Dominic Konrad

Beim Spritzig-Herben denkt man an Herren-Stammtische, Schwenkgrill-Helden oder „gscheite Mannsbilder“ mit Krachledernen und Gamsbart. Dabei ist das Bier bis Ende des Mittelalters alles andere als eine Männerdomäne. Gerade die Äbtissin Hildegard von Bingen spielt in der Bier-Geschichte eine bedeutende Rolle. Eine Richtigstellung zum Tag des Bieres.

Bier ist so alt wie die Menschheit selbst. Archäologische Funde belegen, dass bereits unsere Vorfahren im Zweistromland vor 10.000 Jahren dem gärigen Getränk nicht abgeneigt waren.

Egal ob im alten China, in Mesopotamien, bei den Ägyptern oder den Wikingern: Wo Menschen der Bierherstellung nachgingen, lag diese in aller Regel fest in der Hand der Frauen. Brauen zählte zu den Arbeiten des Haushalts – vermutlich, weil es wie das Brotbacken eine Art der Getreideverarbeitung war.

Altägyptische Figur: Frau beim Bierbrauen
Schon bei den Ägyptern waren Frauen für die Herstellung des Biers verantwortlich, wie diese Grabfigur einer ägyptischen Bierbrauerin (um 2.160 v. Chr) beweist.

Kein Wunder also, dass auch Wirtshäuser in den frühen Hochkulturen von Frauen betrieben wurden: Der babylonische „Codex Hammurabi“ aus dem 18. Jahrhundert v. Chr., auf einer Basalt-Stele im Louvre erhalten, schreibt etwa Strafen fest, die Wirtinnen im Fall von Wucherei und bei Duldung verschwörerischer Versammlungen blühe. Die Tavernen waren so sehr in Frauenhand, dass Männer in Hammurabis Strafenregister nicht einmal mitgemeint sind:

Wenn eine Schenkwirtin als Preis für Getränke nicht Getreide nach großem Gewicht annimmt, sondern Silber nimmt, und der Preis des Getränkes im Verhältnis zu dem des Getreides geringer ist, so soll man sie dessen überführen und ins Wasser werfen.

Die Heilige Hildegard bringt den Hopfen ins Spiel

Laut deutschem Reinheitsgebot hat Bier neben Wasser, Gerstenmalz und Brauhefe auch Hopfen zu beinhalten. Die Dolden des Hanfgewächses sorgen für die charakteristische Bitterkeit und das Aroma des Bieres, wie wir es heute kennen. Hopfen macht das Getränk zudem haltbar.

Hildegard von Bingen
Hildegard von Bingen wird als große Gelehrte verehrt. Ihre Klostermedizin war für ihre Zeit revolutionär, heute erscheint sie mitunter fragwürdig.

Diese Entdeckung geht auf eine der größten Kirchengelehrten des Mittelalters zurück. Hildegard von Bingen wurde bereits zu Lebzeiten im 12. Jahrhundert für ihr Wissen und ihre Visionen verehrt. Die Benediktinerin und Gründerin des Klosters auf dem Rupertsberg bei Bingen setzte sich neben der Kirchenlehre und der Musik auch mit Heilpflanzen und deren Anwendung auseinander. Ihre Erkenntnisse zum Hopfen hielt Hildegard schriftlich fest:

Es ist warm und trocken und hat eine mäßige Feuchtigkeit und ist nicht sehr nützlich, um dem Menschen zu nützen, weil es Melancholie im Menschen wachsen lässt und die Seele des Menschen traurig macht und seine inneren Organe belastet. Aber dennoch bewahrt es durch seine eigene Bitterkeit einige Fäulnis von Getränken, denen es hinzugefügt werden kann, so dass sie so viel länger halten können.

Auch wenn Hildegard dem Hopfen in der Tradition der mittelalterlichen Viersäftelehre eher melancholische als die heute bekannten beruhigenden Eigenschaften zuschrieb, revolutionierte ihre Entdeckung die Bierbrauerei. Ihre Schriften verbreiteten sich vor allem in den Klöstern des Mittelalters und trugen maßgeblich zum Erfolg der Klosterbrauereien bei.

Wie Hildegard von Bingen die Stadt bis heute prägt

Wie Männer sich das Brauen aneigneten

Noch bis ins 16. Jahrhundert bleibt die Bierbrauerei außerhalb der Klöster weitestgehend eine Tätigkeit der Frauen. Für Unverheiratete und Witwen ist die Arbeit als Schankwirtin eine gute Möglichkeit, eigenes Geld zu verdienen. Doch in den wachsenden Städten nimmt das Bierbrauen für den Eigenbedarf in der frühen Neuzeit ab.

Um die Brandgefahr in den wachsenden Ballungsräumen einzudämmen, wird das Braurecht in den Städten nach und nach an Betriebe vergeben. Das Brauen wird zum Beruf, es bilden sich sich Zünfte und die Herstellung wird reglementiert. Frauen geraten durch den Aufstieg der Brauereien ins Hintertreffen.

Katharina von Bora
Martin Luther war verrückt nach dem Bier seiner Frau Katharina von Bora. Die Braukunst hatte die frühere Nonne im Kloster erlernt.

Dem Bier waren Frauen trotzdem nicht abgeneigt: Bis ins 19. Jahrhundert blieben Bierkränzchen ein beliebter Zeitvertreib unter den Damen der höheren Gesellschaft. Wenn's handfester zuging, wurde aus dem Kränzchen auch mal ein „Weiberzechen“. Erst mit der steigenden Verfügbarkeit von Kaffee und Tee setzte sich der Kaffeeklatsch als vornehmere Alternative durch. Das Bier wanderte an den Stammtisch der Herren.

Heute erobern sich Frauen nach und nach die Hoheit über die Bierbrauerei zurück: Als Inhaberinnen kleiner Familienbetriebe, wie Katharina Waldhecker aus Ulm bei Renchen, oder wie Warsteiner-Chefin Catharina Cramer, an der Spitze eines international agierenden Bierkonzerns. Dem Produkt kann das Mehr an Vielfalt nur dienlich sein. Prost!

Gespräch Braukunst statt Broadway - Katharina Waldhecker war Tänzerin und leitet jetzt die Familienbrauerei

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Weitere Infos und Studien gibt's hier:
https://www.medizin.uni-greifswald.de/fileadmin/user_extern_upload/Presse/2021/medieninformation_uni-greifswald_2021-11-15_mit_Bild.pdf
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fnut.2021.772700/full
https://europepmc.org/article/med/35042815
https://www.pnas.org/content/119/4/e2116915119
https://www.ardaudiothek.de/sendung/klimazentrale-der-talk-zu-klima-und-umwelt/64922226/
https://www.spektrum.de/news/groessere-bilder-bleiben-besser-in-erinnerung/1984546
https://www.pnas.org/content/119/4/e2119614119

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Dominic Konrad, Autor und Redakteur bei SWR Kultur und SWR Musik