Abriss oder Umnutzung?

Welche Rolle spielen ausgediente Bürobauten für die Stadtentwicklung?

Stand
Autor/in
Hannegret Kullmann
Hannegret  Kullmann, Autorin bei SWR Kultur

Während des deutschen Wirtschaftswunders schossen sie förmlich aus dem Boden: Bürohochhäuser und Verwaltungsbauten, die für die deutsche Nachkriegsmoderne stehen. Manche dieser Gebäude sind verschwunden, andere werden revitalisiert und umgenutzt. Beispiele aus Ludwigshafen, Stuttgart und anderen Städten im Südwesten.

Unwiederbringlich verloren: Das BASF-Hochhaus in Ludwigshafen

Hochhaus der BASF in Ludwigshafen aus den fünfziger Jahren
Der elegante Entwurf für das Friedrich-Engelhorn-Hochhaus stammte vom Düsseldorfer Büro Hentrich & Petschnigg.

Der 21. März 1957 war ein großer Tag für die BASF-Stadt Ludwigshafen: Damals weihte das Chemieunternehmen am südlichen Rand seines Werksgeländes ein Hochhaus ein, das in ganz Deutschland seinesgleichen suchte. Nicht nur die Firmenleitung, sondern auch die Mitarbeitenden, die sogenannten Aniliner, waren stolz auf den modernen Wolkenkratzer.

Mit 25 Stockwerken, verglaster Eingangshalle und Flugdach leistete sich die BASF einen repräsentativen Neubau der Superlative. Die Voraussetzungen für die moderne Büroarbeit waren optimal: Es gab helle Räume, eine eigene Postfiliale und ein werkseigenes Reisebüro. Sogar der US-amerikanische Fahrstuhl-Hersteller OTIS lobte den Bau als „BASF Beauty“.

Mehr als 50 Jahre lang war das Hochhaus ein Wahrzeichen der Stadt. Doch da, wo es stand, klafft seit 2014 eine Lücke. Obwohl das Gebäude denkmalgeschützt war, durfte es abgerissen werden. Für viele ein Skandal. Der Chemiekonzern BASF führte wirtschaftliche Gründe an und versprach einen Neubau – der lässt allerdings bis heute auf sich warten.

Kreative Umnutzung: Das neue Pfaff-Verwaltungsgebäude in Kaiserslautern

Leerstehender Verwaltungsbau auf dem ehemaligen Pfaff-Gelände
Vor der Sanierung: Das „Neue Verwaltungsgebäude“ auf dem ehemaligen Pfaff-Gelände, erbaut zwischen 1955 und 1958.

Auch die Stadt Kaiserslautern war viele Jahrzehnte durch einen großen Arbeitgeber geprägt: den Nähmaschinen-Hersteller Pfaff. 2009 gab das insolvente Unternehmen seinen Standort auf. Die Stadt Kaiserslautern wandelt ihn derzeit in ein Mischquartier mit klimaneutraler Energieversorgung um, in dem alte Bausubstanz als wichtige Ressource genutzt wird.

Saniertes und umgebautes Gebäude aus den fünfziger Jahren
Vom Verwaltungsgebäude zum Ärztehaus: Geschickte Umnutzung im „Pfaff-Quartier“.

Das sogenannte neue Verwaltungsgebäude aus den 1950er-Jahren stammt vom Kaiserslauterer Architekten Fritz Seeberger. Der Komplex mit vier Flügeln und roter Klinkerfassade steht heute unter Denkmalschutz. Er wurde saniert und behutsam umgebaut. Heute erfüllt er einen völlig neuen Zweck: 2024 wurde dort ein medizinisches Zentrum eröffnet.

Lebendiger Kulturort: Das Allianz-Haus in Mainz

Im Herzen der Stadt, in nächster Nähe zum Regierungsviertel, steht das Allianz-Haus von 1963, entworfen vom Architekten Ludwig Goerz. Seine rote Sandsteinfassade harmoniert perfekt mit dem Rot der barocken Kirche St. Peter. Das denkmalgeschützte Büro- und Geschäftshaus steht für die Wiederaufbauzeit und ist heute ein Treffpunkt für die Kulturszene.

Mehrgeschossiges ehemaliges Versicherungsgebäude in Mainz
Kultur und Gastronomie mitten in der Stadt: Das Allianz-Haus ist ein Hotspot für junge Leute.

Die offene Architektur im Erdgeschoss macht es möglich: Dort befinden sich eine Bar, ein Musikclub und das Haus des Erinnerns. In der städtischen Immobilie wohnten zeitweise auch Geflüchtete. Die Zukunft des Allianz-Hauses ist allerdings ungewiss: Mehrere Initiativen kämpfen für seinen Erhalt. Die Stadt will nun prüfen, ob es als Archiv und Bibliothek nutzbar ist.

Immer noch Stillstand: Der Eiermann-Campus in Stuttgart-Vaihingen

Eiermann-Campus in Stuttgart-Vaihingen. Die Außenanlagen sind komplett überwuchert.
Lost Place in der Schwabenmetropole: Der Eiermann-Campus mitten in einem Wald in Vaihingen steht leer. Die Gebäude von Architekt Egon Eiermann stehen unter Denkmalschutz.

Der renommierte Architekt Egon Eiermann entwarf drei verbundene Pavillons als deutsche Hauptverwaltung von IBM. Später wurde der Komplex erweitert. Von 1972 bis 2009 gingen die Beschäftigten auf dem Gelände in Stuttgart-Vaihingen ein und aus. Der Großteil der Gebäude steht unter Denkmalschutz und gilt als beispielhaft für die deutsche Nachkriegsmoderne.

Eiermann-Campus in Stuttgart-Vaihingen aus der Vogelperspektive.
Unklare Zukunft: Der „Eiermann-Campus" (ehemalige IBM-Hauptverwaltung) in Stuttgart-Vaihingen.

Der sogenannte Eiermann-Campus gehörte bereits verschiedenen Investoren, zuletzt war auch die Stadt Stuttgart an einem Kauf interessiert. Eine Lösung zeichnet sich aber nicht ab, obwohl es schon viele Ideen für eine mögliche Nutzung gab: Vom Wohnviertel bis hin zur Geflüchteten-Unterkunft. Unterdessen verfällt das Architektur-Denkmal immer mehr.

Treppenaufgang in Bürogebäude von Egon Eiermann in Stuttgart
Elegante Innenausstattung in den Bürogebäuden von Egon Eiermann.

Von der Bauruine zum Hotel: Das York-Gebäude in Mannheim

Schriftzug und Eiskristall auf dem Gebäude weisen auf die frühere Nutzung hin: In dem Hochhaus von 1972 saß viele Jahre lang, in unmittelbarer Nähe des Planetariums, die Verwaltung des Kältetechnik-Herstellers BBC/York. 2012 kaufte es ein Mannheimer Bauentwickler und ließ es komplett entkernen. Danach geschah jedoch erst einmal nichts.

Das ehemalige Firmengebäude von York in entkerntem Zustand
Jetzt kommt wieder Leben in das entkernte York-Gebäude in Mannheim: Es wird zum Hotel umgebaut.

Doch der ehemalige Büroturm hat großes Potenzial: Nach einem neuerlichen Besitzerwechsel will ihn nun die Hotelkette Marriott zu einem neuen Hotel umbauen. Mehr als 200 Zimmer und kleine Apartments sollen hier für Besucherinnen und Besucher der Quadratestadt entstehen.

Das frühere York-Hochhaus in Mannheim soll ein Marriot-Hotel werden
Das alten York-Hochhaus ist entkernt. Diese Bausubstanz soll aber erhalten bleiben.

Struktur und Bausubstanz eignen sich offensichtlich dafür. Das York-Haus ist ein gutes Beispiel für nachhaltige Architektur-Umnutzung: 2026 soll das neue Vier-Sterne-Haus eröffnen.

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