Vor 30 Jahren fielen die Grenzkontrollen zwischen Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Luxemburg, Spanien und Portugal. Ein Jubiläum vor dem Hintergrund strittiger Fragen in den Koalitionsverhandlungen zu Grenzschließungen und -zurückweisungen. Was bleibt vom Schengen-Geist?
Durchbruch für Reisefreiheit und Angst vor Migration
Während das Schengener Abkommen die Reisefreiheit erleichterte, bedeutete sie gleichzeitig den Ausbau der europäischen Außengrenze, sagt die Kulturanthropologin Sabine Hess von der Uni Göttingen.
„Es war klar, dass die Innenminister und die Sicherheitsbehörden eine große Panik bekommen haben, nicht nur wegen der Kriminalität, sondern von Anfang an war auch das Schreckgespenst der Migration auf der Tagesordnung.“
Definition des Begriffs „Außengrenze“
Für die Anrainerstaaten an der EU-Außengrenze bedeutet das Abkommen, dass sie für die gesamte EU entscheiden müssen, wer einreisen darf und wer nicht. Das bedeutete für diese Staaten laut Hess von Anfang an ein Ungleichgewicht.
Dieses Problem sei bis heute nicht gelöst und soll nun von der neuen Bundesregierung abgewickelt werden.
Koalitionsverhandlungen gefährden „Geist von Schengen“
Seit den großen Zuwanderungsbewegungen von Flüchtenden 2016 und 2017 wurde der „Geist von Schengen“ massiv angegriffen, sagt Hess. Indem die Koalition nun sage, an allen Grenzen solle dauerhaft kontrolliert werden, verstoße sie laut Hess gegen den Schengener Grenzkodex, der Grenzkontrollen nur in Ausnahmen zulassen würde.
„Es ist auch ein klarer Verstoß gegen eine ganze Reihe von Europarecht und internationalen Rechtsnormen, und es verstößt gegen die internationale Genfer Flüchtlingskonvention“, so Hess.
Sabine Hess ist Professorin am Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie und Direktorin des Göttingen Centers for Global Migration Studies.