Mit einer Sonderausstellung widmet sich das Dreiländermuseum in Lörrach der Revolution von 1848/49 und ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Eröffnung ist am Lörracher „Tag der Demokratie“, den die Stadt alljährlich feiert, weil der Revolutionär Gustav Struve am 21. September 1848 vom Balkon des Lörracher Rathauses die „Deutsche Republik“ ausrief.
Ausstellung will nicht nur zurückblicken
„Die Revolution 1848 kommt im Untertitel vor, aber der Zusatz 'und heute', ist wichtig“, sagt der neue Leiter des Dreiländermuseums Jan Merk. Für den Historiker ist es das erste Ausstellungsprojekt in Lörrach. Die Schau, die bis Mai 2024 von etwa 60 Begleitveranstaltungen ergänzt wird, soll neue Wege gehen.
Diese Ausstellung will nicht nur zurückblicken. Im Titel „Der Ruf nach Freiheit – Revolution 1848/49 und heute“ stecke ein Programm, sagt Jan Merk, Leiter des Dreiländermuseums der Stadt: Hinter „Revolution 1848/49 stehe der Zusatz „und heute“. „Wir wollen wirklich nicht an der Geschichte stehen bleiben, sondern weitergehen.“
Unterschiedliches Revolutionsgeschehen in den drei Ländern
Mit Glaubensfreiheit oder sexueller Freiheit etwa. Optisch fällt auf: Obwohl der 1.Stock im Dreiländermuseum nur 400 Quadratmeter Fläche bietet, wirkt das Arrangement locker. Farblich getrennt gibt es drei Bereiche. Die „rote Zone“ konzentriert sich auf das Revolutionsgeschehen. Weil sich das im Dreiländereck so gehört, zeigen die Macher Parallelen und Unterschiede zwischen Deutschland, wo am Ende die Freiheit unterdrückt wurde, der Schweiz, wo 1848 eine stabile Demokratie entstand, und Frankreich, wo nach wenigen Monaten Napoleon III. an die Macht kam.
Schauspieler haben historische Zitate von Revolutionären inzeniert
Im „gelben Bereich“ sind Videoclips in drei großen Würfelelementen zu sehen: Schauspieler und Schauspielerinnen des Jugendtheaters „Tempus Fugit“ haben Zitate wichtiger Personen der Revolution inszeniert – auch von Amalie Struve, der Frau von Gustav Struve:
Freiheit und demokratische Grundordnung sind wieder gefährdet
Im dritten Teil, dem „blauen Bereich“ geht es um die Gegenwart. Hier merkt jeder, weshalb das Museum nicht einfach Ausstellung vor 25 Jahren zur Revolution von 1848 neu aufgelegt hat. Die Welt hat sich seither gewandelt, Freiheit und demokratische Grundordnung seien weltweit, aber auch in Deutschland, in Gefahr, betont die die wissenschaftliche Mitarbeiterin Selina Thomann.
Welche Freiheiten sind mir wichtig?
Am Ende des Rundgangs soll sich das Publikum fragen, was ihm Freiheit bedeutet. Welche Freiheiten ihm wichtig sind, welche verzichtbar wären, damit andere Menschen freier leben könnten. Eine Litfaßsäule bietet Platz, Gedanken zu diesem Thema aufzuschreiben.
Ausstellungskonzept ist politisch und clever
Das Lörracher Dreiländermuseum schlägt mit seiner Schau einen Bogen von der Mitte des 19.Jahrhunderts in die Gegenwart. Das Konzept ist sehr politisch und clever, hat Wucht. Wenn man bedenkt, dass das Team nur fünf Monate Vorbereitungszeit hatte, ist das Resultat mehr als respektabel.
Die Revolution von 1848 /49
Zeitwort 21.09.1848: Gustav Struve ruft die Deutsche Republik aus
Wer auf die Geschichte der Demokratie in Deutschland zurückblickt, kann Lörrach, die Stadt im deutsch-französisch-schweizerischen Dreiländereck, nicht übersehen.
Geschichte Die Badische Revolution 1848 – Auftakt zur liberalen Demokratie
"Völkerfrühling" nennen Historiker die Aufstände in Europa im März und April 1848. Besonders rebellisch waren die Bürger in Baden. Sie kämpften gegen Unterdrückung und für Freiheit.
Geschichte Die Frankfurter Paulskirche – Wiege der deutschen Demokratie
Am 18. Mai 1848 tagte das erste, frei gewählte deutsche Parlament in der Paulskirche – ein revolutionäres Ereignis. Heute erinnert in der Kirche selbst wenig daran. Hilft Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das zu ändern? Er will die Kirche zu einer modernen Erinnerungsstätte machen. Von Joachim Meißner. (SWR 2023) | Manuskript und mehr zur Sendung: http://swr.li/frankfurter-paulskirche| Wenn Euch die deutsche Demokratiegeschichte interessiert, empfehlen wir eine weitere Folge von SWR2 Wissen „Die Badische Revolution 1848“ – Auftakt zur liberalen Demokratie“. | Bei Fragen und Anregungen schreibt uns: wissen@swr2.de | Folgt uns auf Mastodon: https://ard.social/@SWR2Wissen
Demokratie heute
Gefahr für die Demokratie Neue Mitte-Studie 2023: Alarmierende Normalisierung von rechtsextremen Haltungen
Die Zahl derjenigen, die ein geschlossen rechtsextremes Weltbild besitzen, habe sich in den letzten zwei Jahren verdreifacht, sagt Beate Küpper, Sozialpsychologin und Mitautorin der "Mitte-Studie 2023" der Friedrich Ebert Stiftung. Das sei ein massiver Anstieg und hinzu kommen weitere zwanzig Prozent der Befragten, die sich in einem Grau-Bereich befänden, also den Aussagen der Studie weder zustimmen, sie aber auch nicht ablehnen, so die Mitautorin der Studie.
Besonders bei den Wählern der AfD sei ein rechtsextremes Weltbild sehr stark verbreitet, sodass man davon ausgehen müsse, dass die Wählerinnen und Wähler ausdrücklich das meinen und wählen was die Partei ihnen als Themen anbiete. Auch umgekehrt muss man sagen, dass die AfD die Themen vertritt, die den Einstellungen ihrer Wählerschaft entsprechen und das wären insbesondere Fremdenfeindlichkeit und Nationalchauvinismus, sagt Beate Küpper und warnt davor, die Zustimmung zur AfD als Protest anzusehen.
Zu dem eklatanten Anstieg in der Zustimmung zu rechten Haltungen meint Küpper: "Ich gehöre nicht zu denjenigen, die alarmistisch unterwegs sind, aber ehrlich gesagt, bereitet mir das Sorgen, vor allem wenn wir uns den großen Graubereich ansehen. Hier müssen wir leider sehen, dass wir es mit einer Normalisierung zu tun haben, bei der Menschen nicht mehr erschrecken, wenn sie antidemokratische Positionen hören oder sie mit Abwertung, Hass und Hetze konfrontiert sind." Die Normen der Grundwerte einer Demokratie, die auf Empathie, Akzeptanz und Toleranz beruhen, würden dadurch aufgelöst.
Politisch sei jetzt "Schutz, Einbindung und Rückendeckung für diejenigen geboten, die unmittelbar bedroht sind", fordert Küpper als Konsequenz aus der Studie. Nicht die Sorgen der sogenannten "Wutbürger" ernst nehmen, sondern die Ängste derjenigen vielen, die Sorge haben, dass ihnen die "Demokratie unter den Händen zerbröselt".
Demokratie lebt von der Beteiligung Staatsrätin für Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg: „Gehört werden ist extrem wichtig“
In Baden-Württemberg wird seit Jahren Demokratiebeteiligung ganz direkt erprobt: Mitglieder von Bürgerräten werden repräsentativ, aber per Zufallsprinzip ausgewählt. Das Land hat dafür ein eigenes Amt: Barbara Bosch, ehrenamtliche Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung betont in SWR2 dessen Bedeutung: „Die Menschen nehmen ihre demokratischen Rechte weniger wahr als früher“.
SWR2 lesenswert Kritik Julian Nida-Rümelin – „Cancel Culture“ – Ende der Aufklärung?
Canceln ist seit jeher Teil unserer Kulturgeschichte, doch die Fronten in der oft hoch emotionalen Debatte um die Cancel Culture, also das Unterbinden bestimmter Meinungsäußerungen, sind zunehmend verhärtet. Der Philosoph Julian Nida-Rümelin beleuchtet in „„Cancel Culture" – Ende der Aufklärung? Ein Plädoyer für eigenständiges Denken" das Phänomen des Cancelns aus demokratie- und erkenntnistheoretischer Perspektive und ist überzeugt: Die Demokratie muss auch unbequeme Meinungen aushalten.
Piper Verlag, 192 Seiten, 24 Euro
ISBN 978-3-492-07179-6