„Neue Sachlichkeit“ aus der Sammlung Frank Brabant

„Sachlich - Kritisch - Magisch. Der neue Realismus um 1925“ im Museum Engen

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Autor/in
Barbara Paul
SWR Kultur Autorin Barbara Paul

Die Engener Ausstellung „Sachlich – Kritisch – Magisch“ zeigt bedeutende Werke der Kunstströmung „Neue Sachlichkeit“, einer Kunstströmung, die zwischen den beiden Weltkriegen in der Weimarer Republik Furore machte. Über 80 Kunstwerke hat der Wiesbadener Sammler Frank Brabant dem Städtischen Museum in Engen zur Verfügung gestellt.

Schlüsselwerk der Neuen Sachlichkeit

1925 malt Immanuel Knayer den „Arbeiter“. Das Porträt eines Mannes, der an einem Holztisch mit Kaffeetasse sitzt und eine Pause von seiner scheinbar körperlich harten Arbeit macht . Das lassen seine kräftigen und schmutzigen Hände vermuten. Der Blick des Mannes ist nachdenklich. Für Museumschef und Kurator Velten Wagner ist dieses Bild ein Schlüsselwerk der Neuen Sachlichkeit:

Gemälde mit Mann
Immanuel Knayer, Arbeiter, 1925

Schauen sie mal in sein Gesicht. Das ist kein dummer Malocher, wie man Arbeiter ja gerne herabgesetzt hat in dieser Zeit. Sondern, das ist ein introvertierter, versonnener Blick. Das ist ein Mensch mit Geist. Und ein Mensch mit Verstand. Und diese Art von würdevoller Darstellung eines Arbeiters, das gab es vorher in dieser Form nicht.   

„Neue Sachlichkeit“ will der Realität genau ins Auge sehen

Für Velten Wagner wirft die Neue Sachlichkeit, die als Kunstströmung zwischen den beiden Weltkriegen entsteht, einen neuen Blick auf die Welt:  „Die neue Sachlichkeit ist ja eine Reaktion auf den Expressionismus. Der Expressionismus war viel introvertierter. Da ging es um ein visionäres, auch utopisches Menschenbild. Die Neue Sachlichkeit hat einen präzisen Blick auf den Menschen. Einen analytischen Blick. Man will der Realität genau ins Auge sehen“.   

Gegenüberstellung der Extreme der Zeit

Und diese Realität ist eine Zeit der Extreme. Aufbau – Zusammenbruch. Wohlstand – Armut. Velten Wagner zeigt das, indem er an vielen Stellen der Ausstellung Arbeiten nebeneinander präsentiert, die genau diese Extreme verdeutlichen. Etwa zwei Werke des Malers Rudolf Schlichter, einmal eine Bäuerin, die eine Kuh melkt. Eine sehr beschauliche Szene.

Und gleich daneben eine Massenmordszene, die das ganze Chaos und die Brutalität dieser Zeit zum Ausdruck bringt. Natürlich mit Bezug auf die Schlachterei des Ersten Weltkriegs. Zum anderen deutet das Bild ist von 1932 schon die Zeit des Nationalsozialismus an.

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Portraits eigenwilliger Frauen

Inwiefern Frauen die Weimarer Republik als eine Zeit der Extreme erleben, veranschaulichen relativ viele Werke in der Engener Ausstellung.

1919 dürfen Frauen in Deutschland zum ersten Mal wählen, und auch an staatlichen Hochschulen Kunst studieren. Das taten etwa Hannah Nagel oder Alice Sommer. Sie zeichnen Frauen mit wilden Kurzhaarfrisuren, Zigaretten im Mund und eigenwilliger Kleidung.

Die sind alle ein bisschen herb und holzig im Gesicht, nicht unbedingt Frauen, wie man es sich als Schönheitsideal vorstellt. Aber sie sind eigenwillig und sie werden ihren Weg gehen. Diese eigenwilligen Frauen sind in Engen viel zu sehen – alle von Frauen gemalt.  

Der Welt den Spiegel vorhalten

Andere Werke zeigen wiederum das Elend der Frauen, für die Prostitution der einzige Ausweg ist, die hungernde Familie zu ernähren. „Ich will der Welt den Spiegel vorhalten“ sagte etwa Karl Hubbuch, einer der Hauptvertreter der Neuen Sachlichkeit.

Hubbuch malte den Sexualmord an einer Frau, die entblößt und blutverschmiert in einem Waldstück liegt, ihr Mörder im Hintergrund wirft gerade noch einen Blick auf die Leiche:

Darstellung eines Lustmordes
Karl Hubbuch, der Lustmord, 1930. Zu sehen in der Ausstellung im Museum Engen.

Also das hier ist wirklich die brutale Realität. Der Arm ist verdreht. Sie fällt nach rechts unten– ins Nichts – diese ermordete Frau. Das ist eine wuchtige und subtil brutale Darstellung, wie man sie nicht toppen kann. 

Es ist unglaublich, was Frank Brabant zusammengetragen hat. Und was man daraus machen kann: nämlich ein Panorama dieser Zeit.

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Mit einem „Panorama dieser Zeit“ verabschiedet sich Velten Wagners in Engen. Der Kulturamtschef und Direktor des Städtischen Museums geht in den vorzeitigen Ruhestand, nachdem er über 20 Jahre lang mit vielen Sonderausstellungen das Haus weit über die Region hinaus bekannt gemacht hat.

Mit seiner letzten Schau zur „Neuen Sachlichkeit“ liefert Wagner nochmals ein überzeugendes und gut zugängliches Ausstellungskonzept. Ein gelungener Schlusspunkt.

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