Als Kanzler Konrad Adenauer in den 1950er-Jahren auf großen Plakaten „Keine Experimente!“ predigte, griff der junge Künstler Heinz Mack kurzentschlossen zum Farbeimer. Er übermalte auf den CDU-Plakaten an den Litfaßsäulen das Wort „keine“ mit schwarzer Farbe – solange bis die Polizei kam. Mack war sich schon damals sicher: „Ohne Experimente kommen wir in der Welt nicht weiter.“
Seine Experimentierfreude hat den jungen Künstler in den 1950ern angetrieben und ihn seither begleitet. Als Mitbegründer der Gruppe ZERO lehnte sich Mack mit futuristischen Lichtreliefs und Installationen gegen den Konservatismus der jungen Bundesrepublik auf. Am liebsten wäre er wohl seiner Zeit davongefahren – in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Macks künstlerische Anfänge waren noch geprägt vom Zweiten Weltkrieg, den der heute 92-jährige miterlebt hat.
Keine Wiederholung: eine Kunst, die von Null beginnt
Die Trümmerorte des Nachkriegsdeutschlands wollte er mit seiner Kunst hinter sich lassen. Und vor allem Neues schaffen, nichts wiederholen, was schon Künstler vor ihm gemacht haben. Mack wollte mit seiner Kunst von Null beginnen und optimistisch in die Zukunft blicken: „Ich war heilfroh, auf dieser Welt zu sein und fand nach dem Krieg die Chance gegeben, an einer neuen Welt beteiligt zu sein.“
In Macks Kunst ist deshalb vieles in Bewegung. Kinetische Kunst, das war sein Ding. Er arbeitet mit Spiegeln, die um sich selbst kreisen und sich dabei gegenseitig reflektieren. In seinen Skulpturen vervielfacht Mack die Wirklichkeit und lässt sie dabei tanzen.
Ungemütliche Anfänge in Köln und Düsseldorf
Der 1931 im hessischen Lollar geborene Mack studierte 1950 bis 1953 an der Kunstakademie in Düsseldorf bei Ewald Mataré – gleichzeitig mit Joseph Beuys. Zugleich war Mack auch an der Universität in Köln für Philosophie eingeschrieben. Als Lehrer und Kunsterzieher musste er seine Familie und zwei Töchter ernähren.
Überhaupt war der Anfang seiner Karriere für Mack eher ungemütlich. In einem
Ruinenatelier in Düsseldorf eröffnete er mit Otto Piene 1957 seine erste Ausstellung. „In dem Atelier hielt man sich ungern auf, weil es kalt war, weil es hineinregnete und es keine eigene Toilette dort gab“, sagte Mack vor zwei Jahren in einem Interview. „Aber wir waren von unserer Arbeit so überzeugt, dass wir das gern ertragen haben.“
Licht-Kunst in der Wüste Afrikas
Berühmt wurde Mack schließlich mit silbrigen Reliefs, Lichtrotoren, glitzernden Stelen und Kunstexpeditionen in die Wüste und die Arktis. In den 1960er Jahren bereiste Mack immer wieder die Nord-Sahara, wo er flirrende Installationen aus Spiegeln, Silberfahnen und Lichtstelen im rotbraunen Wüstensand entstehen ließ.
Wie ein Astronaut auf einem fernen Planeten stapfte Mack im silbrig glitzernden Overall durch das Sandmeer und zog eine meterlange silberne Fahne hinter sich hier. Es war die Zeit, als die bemannte Raumfahrt startete und die Menschen fasziniert von fernen Galaxien waren.
Dass seine spektakulären Aktionen ziemlich selbst gemacht waren, gibt Mack Jahrzehnte später preis. Der Wüstenanzug etwa war sein eigener Entwurf, und zusammengenäht habe ihn die Mutter seiner Haushaltshilfe.
Macks Schaffen von der Leichtigkeit des Lichts bis zum Monumentalen
Mack entdeckte das Licht als Werkstoff seiner kühnen Projektionen. Licht sei das Thema seines Lebens, sagt Mack, der sich immer als Maler und Bildhauer gleichzeitig sieht. Mack liebt auch das Monumentale. Er schuf große Skulpturen für Parks, Straßen und Plätze von München bis Berlin, die größte ist eine 42 Meter hohe Stele vor der Daimler-Hauptverwaltung in Stuttgart.
Auf fast 400 Einzelausstellungen kann der mehrfache Documenta- und
Biennale-Teilnehmer zurückblicken. Schon 1959 nahm Mack erstmals an der Documenta in Kassel teil. „Das Ziel war, ganz große Kunstwerke zu schaffen, die in der Kunstgeschichte bestehen können“, so Mack.
Macks Leucht- und Spiegelkunst im ZKM Karlsruhe
Im Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe zeigt eine aktuelle Ausstellung Arbeiten aus allen Schaffensphasen des Künstlers.
Einige Werke wurden bislang nur selten ausgestellt und auch Heinz Mack selbst hat sie teilweise seit etwa 50 Jahren nicht mehr gesehen: „Ein großer Teil der hier ausgestellten Arbeiten ist ein halbes Jahrhundert alt, zum Teil sogar noch älter. Ich bin also froh, dass auf diese Weise mal einige Dinge das Licht der Welt erblickten, die sich vorher nur im Dunklen befanden.“
Optimismus und Aufbruch
Bis heute strahlen seine Experimente einen unerschütterlichen Optimismus aus. Etwas von der Aufbruchsstimmung der späten Sechzigerjahre haftet ihnen noch immer an. Mit seiner Kunst aber plädiert Heinz Mack nach wie vor kraftvoll und entschlossen für die „Leichtigkeit des Lebens“.
Dem Lichten und dem Hellen zugewandt zu bleiben, sagt er, sei dann besonders wichtig, wenn die Zeiten dunkel scheinen. Und wer seine Werke anschaut, darf versuchen „frei zu sein, zu schweben, sich leicht zu machen, sich von allen Problemen zu entfernen, ganz allein einmal bei sich zu sein, und bei dem, was er sieht.“