„Noch nie war Essen so ein heißes Thema. Gott ist tot und Essen hat fast den Status einer Ersatzreligion“, sagt der Leiter des Fleischermuseums in Böblingen, Christian Baudisch. Die Ausstellung „Fo(o)dografie – Essen in der Fotografie“ nimmt unseren Umgang mit der Nahrung in den Blick. Dabei geht es sowohl um den Internet-Hype „Foodporn“ – die kulinarische Zeigelust – als auch um die Bilder von Lebensmitteln, die wir lieber schnell vergessen wollen, die sich aber ins Gedächtnis einbrennen.
Den Ausstellungsraum „Speisekammer“ sollte man am besten nicht hungrig betreten
Ein saftig glänzendes Steak auf einem Holzbrett – Lavendelblüten und eine Artischocke am Rand. Wasser perlt von einem grünen Salatblatt. Es ist der Blick in den Ausstellungsraum „Speisekammer“ mit Lebensmittelfotografien von Julia Hildebrand und Ingolf Hatz. Wer den Besuch im Fleischermuseum angetreten ist, ohne vorher etwas zu essen, läuft hier Gefahr, dass der Magen anfängt zu knurren. Aber – ein Bild ist eben nicht alles, sagt Fotografin Julia Hildebrand.
81,6 Kilogramm Lebensmittel landen pro Kopf und Jahr im Müll
Um Bewusstsein und Wertschätzung – darum ging es dem Fotografenduo auch bei den Aufnahmen zu ihrem Projekt 81,6 Kilogramm. So viel Lebensmittel landen laut einer Studie der Uni Stuttgart pro Kopf in Deutschland im Müll. In der Ausstellung machen sie die abstrakte Zahl greifbar, jede Fotografie steht für ein Gericht. Und auch bei der Arbeit ein paar Räume weiter haben sich die beiden mit der Bedeutung von Lebensmitteln beschäftigt. Streuobstwiesen – bunte Äpfel in unterschiedlichen Formen – die alten Sorten zum Teil gar nicht mehr bekannt. Ein Stück Kulturgut, erklärt Ingolf Hatz
Immerhin 250 Apfelsorten gibt es noch
„Diese Dinge über den Apfel zu erfahren sind recht naheliegend, weil das ja so eine Lieblingsfrucht der Deutschen ist. Nicht nur in den Supermarkt zu gehen und zu sagen: Ich hätte gerne einen grünen Apfel. Sondern zu wissen, dass es nach wie vor 250 Sorten gibt, sich auszukennen. Was kann ich mit den Sorten machen? Das ist Wissen, das wir hier auch vermitteln wollen“, so Hatz.
Alltag in den Schlachthöfen
Die Fotografin Vivi D’Angelo zeigt ganz ungeschönt den Alltag an den Orten, an denen aus Lebewesen Lebensmittel werden – den Schlachthöfen. „Morgens um vier stirbt das Schnitzel“ heißt die Arbeit. Hier perlt nicht appetitlich Marmelade auf den Pfannkuchen – sondern das Blut von Schweinen tropft auf kalte Fliesen.
Solche Aufnahmen können erschrecken – eine Trigger-Warnung am Eingang in die Ausstellungsräume warnt empfindliche Besucher schon vorab – aber sie dokumentieren, was wir beim Gedanken an saftige Steaks nicht ausblenden sollten, erklärt die Fotografin Vivi de Angelo.
Unaufgeregte Fotos einer schwäbischen Landmetzgerei
Was dann aus den Tieren wird, dokumentiert Bernhard Kahrmann. Für die Ausstellung hat er eine traditionelle Landmetzgerei im Schwäbischen besucht und deren Alltag festgehalten. Unaufgeregte, starke Fotografien, die er in einer Installation an rote Fleischkisten pinnt. Die Motive von Bernhard Kahrmann: Menschen vor der Fleischtheke, der Metzger beim Zubereiten der Maultaschen.
Schon in der Antike haben die Menschen ihr Essen in Szene gesetzt
Die sehr unterschiedlichen Ansätze der Fotografien in der Ausstellung eint, dass sie ein Bewusstsein schaffen – für das, was wir essen und wie wir essen. Und sie zeigen, dass eine abgegriffene Redewendung nie alt wird: Das Auge isst mit.
Food-Fotografie
Ausstellung Schlachthof und Streuobstwiesen – Wie Profis aufs Essen schauen
Von Schlachthöfen bis Streuobstwiesen. Profis, Fotokünstlerinnen und Fotokünstler schauen über den Tellerrand. Geschichten vom Essen im Deutschen Fleischermuseum Böblingen.
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Du isst, was du schön findest – so funktioniert die Rezept- oder Restaurantsuche in digitalen Zeiten. Wie unsere Essensfotos heute aussehen, hat auch mit Vorbildern in der Kunst zu tun.
Fotografie Pionier der Food-Fotografie: Johann Willsberger bringt die Kochkunst ins Museum
Wo andere nur Traubensaft sehen, sieht Johann Willsberger Motive für seine Kunst. Mit Film- und Fotokamera fängt er ein, wie aus edlen Trauben noch edlerer Wein wird. Bevor er sich ganz der Kunst widmete, hat er 25 Jahre lang mit dem "Gourmet"-Magazin die Food-Fotografie im deutschsprachigen Raum maßgeblich geprägt.