Unglaubliche Kleinstlebewesen

Drecksarbeit – Fotos der verborgenen Welt unter unseren Füßen im Naturkundemuseum Reutlingen

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Von Autor/in Frank Rother

In einer Handvoll Boden leben mehr Organismen als Menschen auf der Erde. Diese verborgene Welt setzen Nicole Ottawa und Oliver Meckes als „Eye of Science“ in Szene. Eine Ausstellung im Naturkundemuseum Reutlingen zeigt ab heute ihre Fotos.

Ein Kosmos aus Bakterien, Einzellern, Würmern, Milben…

Ganz schön was los unter dem Wurzelhorizont, wie in Aufnahmen der Schweizer Stiftung Biovision, eingefangen mit Hochleistungsmikrophonen, zu hören ist. Dieser Kosmos der Bakterien, Einzeller, Pilze, Würmer, Milben und Spinnen ist auch das Spezialgebiet von Nicole Ottawa und Oliver Meckes. Sie ist Biologin, er Fotograf.

Gerade noch im Garten, schiebt er jetzt eine Petrischale mit ein paar Klümpchen Gartenerde unters Mikroskop. Und siehe da, in dem gesunden Boden ist das pralle Leben. „Ich sehe etliche Springschwänze rumkrabbeln und Enchyträen, die Verwandten von den Regenwürmern, die sind ganz weiß“, erzählt Oliver Meckes.

Hornmilbe
Eine Hornmilbe, auch Moos-, Käfer- oder Panzermilbe genannt, ist hier auf einem Stück Totholz aus dem Waldboden des Nationalparks Nordschwarzwald zu sehen. Auf einem Quadratmeter Waldboden können 20.000 bis 50.000 Tiere vorkommen.

Ein paar Milben hat er auch schon gesichtet: „Man entdeckt immer wieder neue Lebewesen, allein Milbenarten gibt es Zigtausende in Deutschland. Die Wissenschaft weiß, dass viele noch gar nicht beschrieben sind. Das heißt, es gibt noch etliche mehr als die, die man schon kennt. Insofern ist der Mikrokosmos immer gut für Überraschungen.“

Ein Wurm wie ein freundliches Alien

In diesen Mikrokosmos wird Meckes später mit dem Elektronenmikroskop schauen und eine Art Wurm fotografieren in tausendfacher Vergrößerung. Dieser Wurm wird dann aussehen wie ein freundliches Alien.

Jetzt wird er aber erst mal für die Fotosession vorbereitet: Der Wurm landet in immer stärkeren Alkohollösungen. Diese entziehen alle Wassermoleküle. Im anschließenden Vakuum treibt CO2 wiederum den Alkohol aus den Zellen.

Übrig bleibt der absolut trockene Wurmkörper. Der wird auf einer Art Tellerchen mit Gold-, oder Platinatomen bedampft. Nur so wird er im Elektronenmikroskop sichtbar. Auf dem Bildschirm erscheint er dann schwarz, weiß, grau.

Tatsächlich ist es ein sogenannter Springschwanz. Über 9000 verschiedene Arten sind bis jetzt bekannt. Er sieht aus wie eine Kreuzung aus Wurm und Ameise mit einer Sprunggabel als Schwanz. Damit springt er einen Millimeter große Winzling rund 20 cm weit.

Zwei Springschwänze und ein Borstenwurm
Zwei Springschwänze und ein Borstenwurm. Diese beiden Springschwänze aus der Familie der Gleichringler wurden im Waldboden des Nationalparks Nordschwarzwald (Wilder See) gefunden und sind 1-2 mm groß. Raster-Elektronen-Mikroskop.

Pilze wie Häuschen auf Stelzen und knuddelige Bärtierchen

„Da oben, da schimmert an ein paar Stellen die wahre Haut durch“, beobachtet Meckes. „Dann haben wir: Auge, Auge, Auge, Auge und dazwischen die Haut.“

Faszinierend findet Meckes auch eine Form von Schönheit: „Als hässlich würde ich eigentlich gar nichts empfinden. Das sind meist alles sehr harmonische Objekte mit interessanten Details. Ich bin immer wieder überrascht, wieviel Vielfalt der Mikrokosmos hier zu bieten hat. Egal in welcher Dimension. Ob wir uns jetzt hier im Millimeterbereich, oder im Hundertstel, oder Tausendstel Millimeterbereich bewegen: Alles ist spannend.“

In solchen Bereichen tummeln sich Lebewesen von unendlicher Vielfalt und Form. Bakterien können aussehen aus wie Stäbchen, Pilze wie Häuschen auf Stelzen. Bärtierchen möchte man knuddeln, so knuffig scheinen sie und Samtmilben sind einfach totschick in ihren roten flauschigen Fellchen.

Fotos als Inszenierungen allerwinzigster Natur

Sie und die vielen anderen werden für die Fotos erst koloriert und dann in Szenen arrangiert. Das macht die Aufnahmen auch künstlerisch interessant, als Inszenierungen allerwinzigster und absolut stimmiger Natur. Die ist das absolut ideale Vorbild. Einfach vollkommen, findet auch Oliver Meckes.

„Als Mikroskopiker kriegt man immer wieder Ehrfurcht vor der Schöpfung und sagt sich: was hat derjenige sich ausgedacht, der das alles erfunden hat! Also, es ist schwer in Worte zu fassen, was da dahintersteht. Außer Gott ist nichts dahinter, hat mal ein Physiker gesagt.“

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