„Altwerden ist nichts für Feiglinge"
Jung sein und jung bleiben: Das gilt in unserer Leistungsgesellschaft als erstrebenswert. Das Alter und seine Begleiterscheinungen hingegen sind negativ konnotiert. Mit 83 Jahren veröffentlichte Fernsehunterhalter Blacky Fuchsberger sein Buch „Altwerden ist nichts für Feiglinge“ - ein Titel, der mittlerweile zum geflügelten Wort geworden ist.
Das Alter als künstlerisches Thema
Tatsächlich ist das Altern ein biologischer Prozess, der sehr individuell verläuft und den bislang niemand aufhalten kann. Gleichzeitig ist es eine Metamorphose, die alle Menschen durchleben. Quer durch unterschiedliche Epochen und Kunstgattungen gibt es deshalb immer wieder Werke, die das Alt-Werden und das Alt-Sein thematisieren.
Das Augustinermuseum Freiburg zeigt in der Ausstellung „Alter!“ 77 Grafiken aus fünf Jahrhunderten und fragt: Wie haben Künstlerinnen und Künstler im Laufe der Zeit das Alter thematisiert?
Fünf Beispiele aus Kunst und Kultur, die sich auf unterschiedliche Art mit dem Thema Alter beschäftigen:
- Fotografie: „100 Jahre Lebensglück“
- Film: „Der seltsame Fall des Benjamin Button“
- Musik: „When I'm Sixty-Four“
- Literatur: „Das Bildnis des Dorian Gray“
- Malerei: Die Porträts älterer Menschen von Balthasar Denner
Fotografie: „100 Jahre Lebensglück"
Der aus Bad Kreuznach stammende Fotograf Karsten Thormaelen sucht seit Jahren Menschen auf, die mindestens 100 Jahre alt sind. Er lässt sich von ihnen erzählen, wie es ist, so alt zu sein, Kriege und Schicksalsschläge erlebt zu haben. Genauso wie die Jüngeren möchten auch sie auf den Fotos gut aussehen. Und Karsten Thormaehlen macht es möglich.
Jede Falte erzählt ihre eigene Geschichte. Die Augen verraten, wie viel sie schon gesehen haben. Hörgeräte lassen Gebrechen erahnen. Und trotzdem: Die Freude am Leben ist allen ins Gesicht geschrieben. Eine erste Fotoserie hat Karsten Thormaehlen 2017 in dem Bildband „100 Jahre Lebensglück" herausgebracht. Zur Zeit arbeitet er an einer Fortsetzung.
Film: „Der seltsame Fall des Benjamin Button"

Ein Baby, das aussieht wie ein Greis – alle gehen davon aus, dass es bald sterben wird, doch das Gegenteil ist der Fall: Benjamin Button wird immer jünger. Regisseur David Fincher verfilmte im Jahr 2008 eine Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald, hochkarätig besetzt mit Brad Pitt und Cate Blanchett.
Der Kinofilm ist eine freie Adaption von Fitzgeralds Erzählung aus dem Jahr 1922. Im Gegensatz zum Original legt er den Schwerpunkt auf die Liebesgeschichte. Die Idee, einen Menschen rückwärts altern zu lassen, übt offenbar große Faszination aus. 2019 feierte ein gleichnamiges Musical in London Premiere. Es wird bis heute im Westend gespielt.
Musik: „When I'm Sixty-Four"

Womöglich war es der 64. Geburtstag von James McCartney, der seinen Sohn Paul, berühmtes Mitglied der legendären Beatles, zu dem Songtext inspirierte: Ein junger Mann blickt in die Zukunft und fragt seine Geliebte, ob sie noch immer bei ihm sein wird, wenn er älter ist. Wie lange wird unsere Liebe halten? Darauf möchte er eine Antwort.
Mit einem Augenzwinkern zeichnet der Song das Bild von einem bescheidenen, spießigen Rentnerglück zu zweit. Die beiden Liebenden werden darin zu Oma und Opa. Das Lied erschien 1967 auf dem Album „Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band“. Es wurde von Marius Müller-Westernhagen und Udo Lindenberg auf Deutsch gecovert.
Literatur: „Das Bildnis des Dorian Gray"

Wie wäre es, wenn wir selbst ewig jung blieben und dafür ein Abbild von uns stellvertretend altern würde? Dieses Gedankenspiel verfolgt der irische Schriftsteller Oscar Wilde in seinem weltberühmten Roman von 1890. Der Protagonist Dorian Gray gibt sich einem ausschweifendem Leben hin, das er selbst ohne eine Falte übersteht.
Sein gemaltes Porträt aber zeigt sein wahres Gesicht: Eine gealterte Fratze. Sein Streben nach unvergänglicher Schönheit endet tragisch. Der Roman ist inzwischen auch im Kontext der Lifestyle-Medizin aufgetaucht: Das sogenannte „Dorian-Gray-Syndrom" bezeichnet die krankhafte Angst vor dem Älterwerden, ist allerdings keine offizielle Diagnose.
Malerei: Die Porträts älterer Menschen von Balthasar Denner

Balthasar Denner, 1685 in Altona geboren, war zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein äußerst bekannter und erfolgreicher Porträtmaler, der Kunden und Kundinnen in ganz Nordeuropa hatte. Haut, Härchen, Runzeln und Falten: Seine Gemälde zeigen jedes Detail und wirken dadurch beinahe fotorealistisch.
Denners Zeitgenossen bewunderten vor allem seine zahlreichen Porträts von älteren Männern und Frauen. Auf den Bildern ist absolut nichts geschönt. Bei manchen Porträtierten sieht man an der Form des Mundes, dass sie zahnlos sind. In späteren Jahrzehnten wurde Denners Naturalismus kritisch gesehen - manchen empfanden ihn als unkünstlerisch.