Die 24-Stunden-Filmcollage „The Clock“ setzt sich in Echtzeit aus tausenden von Filmszenen zusammen, in denen verschiedene Uhren eine Rolle spielen und die Zeit angeben. Ein geniales Filmerlebnis, das 2011 auf der Biennale in Venedig eine Sensation war und jetzt im Stuttgarter Kunstmuseum zu sehen ist.
Christian Marklay geht bewusst mit der Zeit um
Eine Armbanduhr trägt er nicht. Christian Marclay tippt auf sein Handy. Wenn es um die Uhrzeit geht, schaut auch er mal eben schnell aufs Display.
Drei Jahre lang hat der ruhige, bescheiden auftretende Künstler an seinem Werk The Clock gearbeitet. Ob er seitdem bewusster mit seiner Zeit umgehe? Christian Marclay lächelt: ja, aber nicht unbedingt wegen seines Projekts. Sondern einfach, weil er älter und die Zeit immer weniger werde.
Uhren aller Art in der Hauptrolle
Big Ben ist einer der vielen Hauptdarsteller in dieser 24-stündigen Filmcollagen. In weiteren Rollen: Standuhren, Uhren in Büro und Gerichtssaal, in Bahnhöfen und Taxis, auf dem Nachttisch oder am Handgelenk, an der Kirchturmuhr.

Während der Vorstellung schaue ich fast zwangsläufig irgendwann einmal auf meine eigene Uhr und stelle mit großer Verwunderung fest: die Zeit im Film entspricht haargenau immer auch der Zeit draußen im echten Leben.
Paradox und befreiend
Der Effekt ist grandios. Ein wenig unheimlich, zugleich - und das ist irgendwie paradox - unglaublich befreiend. Denn ein zu früh oder zu spät gibt es nicht. Man ist immer just in time:
„Du musst entscheiden, wann Du kommst, wann Du gehst. Es gibt keinen Anfang und kein Ende“, sagt der Künstler Christian Marclay. Es gehe darum eigene Entscheidungen zu treffen und „Dein Leben wird ein Teil davon“.
24-Stunden-Endlosstreifen in Echtzeit
In einer unvorstellbar akribischen Fleißarbeit hat Christian Marclay zusammen mit seinem Team viele Kilometer Filmmaterial durchforstet. Dabei ging es nicht einfach nur darum, Szenen mit verschiedensten Uhren aufzustöbern.
Es kam dabei tatsächlich auf jede Minute des Tages und der Nacht an, um den Verlauf der Zeit in einer 24-Stunden-Montage sichtbar zu machen. Dass diese Endlosfilmschleife erstaunlicherweise nicht langweilig wird, sondern im Gegenteil eine ganz eigene Faszination entwickelt, ist schlicht der hohen Kunst eines Christian Marclay zu verdanken:

„Es gibt so viele Erzählungen, die aber immer wieder unterbrochen werden. Das kann frustrierend sein. Daher habe ich versucht, den Zuschauer gleich mit der nächsten Szene zu fesseln, indem ich einen Weg gefunden habe, die Szenen miteinander zu verbinden. In diesem Fluss kann man der Fantasie freien Lauf lassen.“
Eine Hommage ans Kino
In einer Szene von „High Noon“ macht sich Gary Cooper im Büro des Sheriffs für das Duell bereit. Er öffnet die Tür – Schnitt – und in der nächsten Sekunde schließt sich eine ganze andere Tür in einem ganz anderen Film.

Ein kleines Mädchen tanzt vor rauschender Meereskulisse – Schnitt – und schon joggt Charles Bronson am Strand entlang, um am Ende die Zeit für seinen Spurt zu checken. Viele berühmte Stars geben sich in dieser Montage die Klinke in die Hand.
Christian Marclay hat den Film nie am Stück gesehen
Also unbedingt Platz nehmen und dieses grandiose Filmkunstwerk auf sich wirken lassen. Und weil die Sitze im Kunstmuseum so großzügig gestellt sind, stört man niemanden beim Kommen und Gehen.
Eine ganz wichtige Voraussetzung für Christian Marclay, der seinen eigenen Film zwar montiert, aber nie in Gänze durchgesehen hat. Und davon rät er auch dringend ab. 24 Stunden dort zu sitzen, sei ungesund. Wer wolle das schon machen?
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