Die Architektur-Abteilung der legendären Hochschule für Gestaltung in Ulm sollte nach Vorstellung des Gründungsrektors Max Bill (selbst Architekt) einmal die größte und wichtigste Abteilung der HfG werden. Eine Hoffnung, die sich nicht erfüllte. Dennoch entstanden hier viele futuristische und auch noch aus heutiger Sicht hochmoderne Pläne und Entwürfe.
Die Suche nach dem perfekten, kleinsten Element
Sie sehen aus wie kleine Iglus: weiße Halbkugeln, übersät mit Rastermustern, Netzen aus feinen Tuschestrichen. Der Architekturtheoretiker Helge Svenshon hat die 15 Modelle im Archiv der Ulmer HfG gefunden. Hergestellt von Studierenden des Dozenten und Architekten Herbert Ohl.
Entwürfe für ein Kuppelkino, erklärt Helge Svenshon: „Eine Hemisphäre, in der man liegend im Kuppelzenit seine Filme genießt auf bequemen Stützen. Und für diese große Konstruktion - sie sollte 100 Meter Spannweite haben - hat er verschiedene Modelle bauen lassen, auf denen er auf komplizierte Art und Weise die Strukturen des Tragwerkes versucht hat, experimentell zu entwickeln.“








Strukturen: mal sind sie zusammengesetzt aus winzigen Dreiecken, mal aus ungleich großen Rechtecken. Die Suche nach dem perfekten, kleinsten Element: Typisch für die Architekturlehre an der Ulmer HfG, weiß die Architekturhistorikerin Chris Dähne: „Der Ansatz war zur Entwicklung von Architektur, die eben geometriebasiert gedacht worden ist und dann zu größeren komplexen Einheiten zusammengefügt worden ist.“
Inge Scholl und Otl Aicher gründeten die HfG Ulm mit Schwerpunkt Gestaltung
Neben künstlerisch-gestalterischen Fähigkeiten lernten die Architektur-Studierenden Disziplinen wie Kybernetik, mathematische Operationsanalyse und Wissenschaftstheorie. Rationalität als Gegenentwurf zur monumentalen Architektur der Nationalsozialisten.
1946 von Inge Scholl und Otl Aicher gegründet, verband die HfG ihre Fächer mit dem Bewusstsein gesellschaftspolitischer Verantwortung und Bildung. Der Schwerpunkt: Gestaltung. Vorangetrieben von einem berühmten Schweizer Bauhausschüler, wie Chris Dähne erklärt:
„Max Bill, der die Abteilung Architektur und Stadtbau – so hieß sie damals – eingeführt hat, kam und der hat auch ehemalige Bauhauslehrer wie Helene Nonné-Schmidt oder Walter Peterhans hier nach Ulm geholt, sodass Arbeiten von damals fortgesetzt, aber auch verändert worden sind.“
Angefangen hat alles mit einem Zufallsfund
Für die Studierenden war das eine Steilvorlage für ihre architektonischen Experimente. Modulare Sozialbauten zum Beispiel, oder ein Einkaufszentrum mit Drive-In. Architekturhistorikerin Chris Dähne hat sie alle gesichtet.
Angefangen hat alles mit einem Zufallsfund. In einer amerikanischen Fachzeitschrift stößt sie auf eine Zeichnung. Und ist fasziniert, weil „...Bewegungen von Personen im Raum in eine Zeichnung übersetzt worden sind in Form von Linien und Punkten und eben auch Buchstaben und Zahlen. Also Raum wurde zerlegt in einzelne Komponenten, die was Bewegtes, was Prozesshaftes zeigen sollten.“
Modulare und ökologisches Bauen – ein Impuls für die Architektur heute?
Ganz neue Möglichkeiten im Vergleich zu bisher üblichen zwei- oder dreidimensionalen Darstellungen von Grundrissen. Ein Literaturvermerk gibt Dähne den entscheidenden Hinweis: Die Zeichnungen dieser sogenannten Zirkulationsgrafen stammen von HfG-Studierenden. Dähne fährt nach Ulm und stöbert über zweieinhalb Jahre im Archiv. Und konzipiert die Ausstellung, zusammen mit dem Kurator Helge Svenshon.
Vielleicht ist die Ausstellung „Programmierte Hoffnung – Architekturexperimente an der HfG“ ja auch ein Impuls für die Architektur heute und ihre Herausforderungen: modulares und ökologisches Bauen aufgrund von gesellschaftlichen Veränderungen und dem Klimawandel.
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