Annegret Soltau war in den 1970er-Jahren eine der ersten deutschen Künstlerinnen, die mit ihrem eigenen Körper in Performances, Video- und Fotoarbeiten ihre Situation als Künstlerin, Frau und Mutter thematisierte. Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe hat vor kurzem ein größeres Konvolut mit Werken von Annegret Soltau erworben, die nun in einer kleinen Studio-Ausstellung gezeigt werden.
Eine nackte Frau in einem weißen Zimmer. An der linken Wand steht in großen Buchstaben „Angst“, auf der rechten „Zweifel“. Immer heftiger schlägt die Frau mit den flachen Händen auf die eine, dann auf die andere Wand. Zum Schluss wirft sie sich mit voller Wucht und ihrem ganzen Körper gegen die Wände.

Die Künstlerin Annegret Soltau kann sich noch gut daran erinnern, wie sie 1980 dieses Video drehte. Sie wollte damit ihre widerstreitenden Gefühle als werdende Mutter deutlich machen.
Die Reaktionen waren heftig – auch von Frauen. Dabei wollte Annegret Soltau immer auch eine Stimme für andere Frauen sein. Dass sie dabei stellvertretend ihren eigenen Körper benutzt, hat auch ganz praktische Gründe.



Annegret Soltau mutet sich und den Betrachtenden viel zu
Tatsächlich mutet Annegret Soltau bei ihren Performances ihrem Körper viel zu. Und bisweilen auch den Betrachtenden. Sie zeigt ihren Körper ungeschminkt, pur und verletzlich – wie in dem Video, in dem eine Sense ihrem Babybauch bedrohlich nahe kommt.
Manchmal zeigt sich Annegret Soltau auch tatsächlich verletzt – wie zum Beispiel in den verfremdeten Fotoarbeiten, in denen die Künstlerin ihre Vagina ablichtete, die nach der Geburt ihres Kindes mit groben Nadelstichen „zusammengeflickt“ wurde.
Es gibt eine ganze Werkgruppe, die Annegret Soltau „Vernähungen“ nennt. Dabei näht sie Versatzstücke aus verschiedenen Fotos mit dickem, schwarzen Faden übereinander.

Künstlerin aus Alternativlosigkeit
Soltau verbindet mit dieser Arbeitsweise Erinnerungen an ihre Zeit als Arzthelferin bei einem Unfallarzt im Hamburger Hafen. Sie hatte als junge Frau von zu Hause keine finanzielle Unterstützung und musste früh auf eigenen Füßen stehen.
Woher sie den Mut nahm, sich für ein Studium an der Kunstakademie Hamburg zu bewerben und dann als freischaffende Künstlerin zu arbeiten, kann sich Annegret Soltau heute selbst nicht recht erklären.
Aber es gab für sie keine Alternative, sagt sie. Auch nicht für ihre radikale Arbeitsweise mit dem eigenen Körper zu feministischen Themen.

Frauen in der Kunstszene sind immer noch Opfer von Sexismus
Auch wenn sich die Situation für Künstlerinnen in Museen und Kunstakademien in den letzten 50 Jahren deutlich verbessert habe, seien Frauen in der Kunstszene immer noch unterrepräsentiert und auch immer wieder Opfer von Sexismus, sagt Annegret Soltau.
Das mache sie immer noch wütend, aber frustrieren lasse sie sich nicht. Im Gegenteil: Es spornt Annegret Soltau dazu an, weiterzumachen.
Dass ihre Arbeiten jetzt von großen Museen quasi „wiederentdeckt“ werden, ist eine späte, überfällige Würdigung eines herausragenden, sehr eigenständigen und mutigen, künstlerischen Werks.
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