Wer die Vergangenheit nicht kennt oder sie ignoriert, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht sinnvoll gestalten. Das Zitat von August Bebel lautet zwar etwas anders, und es würde durchaus auch im Original zu „Asiawochen“ passen, doch auf diese Weise abgewandelt, beschreibt es, warum dieses Stück so wichtig ist. Es lenkt unseren Blick auf einen Teil unserer Geschichte, der viel Leid erzeugt hat und der wichtig ist für das Verständnis unseres heutigen Weltgefüges.
Es ist außerdem ein Text, der mit seinen schnellen und glaubhaften Dialogen, mit seinen plötzlichen Szenen- und sogar Rollenwechseln, aber ebenso mit seinen durchkomponierten Pausen im Hörspiel große Kraft für seinen Inhalt entfalten kann.
Da gibt es die Vater-Tochter-Beziehung. Die Tochter will, vielmehr sie muss wissen, was plötzlich mit ihrem Vater los ist. Welche Lebensverletzungen verschweigt er? Was hat er als Indonesier chinesischer Abstammung erlebt? Sie selbst ist Lehramtsstudentin für Deutsch und Geschichte und fräst sich regelrecht in das Thema Kolonialgeschichte rein. Speziell die indonesische.
Der historische Dreh- und Angelpunkt in „Asiawochen“ ist die Konferenz in Bandung, zu der sich 1955 asiatische und afrikanische Staaten trafen, ohne ehemalige oder damals noch aktuelle Kolonialmächte.
Es gelingt Yannic Han Biao Federer außerordentlich gut, anhand seiner individuellen Geschichte mit Wucht auf ein Stück deutscher Kolonialgeschichte aufmerksam zu machen, das kaum präsent ist – und das gänzlich ohne moralischen Zeigefinger. Ohne Larmoyanz und ohne belehren zu wollen, erzählt er mit hoher Dringlichkeit in starken, berührenden Szenen, und immer wieder mit herausragender Situationskomik und einer Art verzweifeltem Humor, der ins Herz trifft. Mit genauer Beobachtungsgabe zeichnet er diese bewegende Familiengeschichte. Gewalt, Rassismus, Migration, aber eben auch Alltag, Arbeit, Zuneigung, Freundschaft, Liebe. Die Geschichten hinter der Geschichte kommen nah, und Zusammenhänge werden erfahrbar.
Wie schwer es aber ist, historische Zusammenhänge unterhaltsam und damit nachhaltig zu vermitteln, dieser Herausforderung ist sich der Autor so sehr bewusst, dass er seine Erzähl-Struktur schließlich aufbricht, selbst in Erscheinung tritt, und auf diese Weise gleich noch einen weiteren Diskurs anschiebt. Welche Themen können im Theater verhandelt werden? Eine Frage, die im Hörspiel ebenso gestellt werden kann.
„Asiawochen“ ist ein Text, der ins Ohr wandern und in Hirn und Herz ordentlich Lärm machen sollte, und genau darauf können wir uns jetzt ja freuen!
Auch im Namen von SWR Kultur möchte ich Ihnen noch einmal sehr herzlich gratulieren!
Pia Frede, Hörspiel-Dramaturgin SWR Kultur