Komposition und Realisation: Marco Blaauw
Mischung und Mastering: Marco Blaauw und Sebastian Schottke
Eine Koproduktion des Südwestrundfunks mit dem Hertz-Lab des Zentrums für Kunst und Medien Karlsruhe 2024
Gefördert durch das Stipendienprogramm 2022 (STIP-II) des Musikfonds e.V. im Rahmen des Programms "Neustart Kultur" der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, von der Kunststiftung NRW und Société Gavigniès.
"Global Breath - World of Trumpet sounds" von Marco Blaauw erhält den Prix Palma Ars Acustica 2024
Am 10. Juni 2024 tagte die Jury auf Einladung der EBU und vergab die Auszeichnung an das Werk "Global Breath – World of Trumpet sounds" von Marco Blaauw.
Die Jury des Palma Ars Acustica lobte:
„… seinen herausragenden Ansatz, die Welt mit Hilfe von trompetenartigen Instrumenten zu bereisen, wobei nicht nur von Menschenhand geschaffene Instrumente, sondern auch Klänge aus der Umwelt, d. h. Tiere und Vögel, einbezogen werden. Eine subtile Reise durch die uralten Rituale des Horns oder der Trompete. Der Klang der Trompete spielt die Rolle eines Kommunikationsinstruments über Kulturen und Kontinente hinweg.“
Eine besondere Erwähnung sprach die Jury für zwei Einreichungen aus:
Niki Matitas „Fernempfangsstelle“ des Tschechischen Rundfunks - eine Hommage an Rolf Formis, einen "Hacker" aus der Frühzeit des Rundfunks, der längst in Vergessenheit geraten ist.
Und die Produktion „Cut off“ der finnisch-iranischen Künstlerin S. Kivi, ein Stück über den Zusammenbruch der Kommunikation zwischen dem Iran und dem Rest der Welt, das vom Finnischen Rundfunk produziert wurde.
Allen drei Stücken ist nach Ansicht der Jury gemeinsam, dass sie sich mit Kommunikation beschäftigen, mit verborgenen Aspekten der akustischen Kommunikation oder mit Kommunikation, die sogar aus politischen Gründen verborgen bleiben muss.
Niki Matita: Fernempfangsstelle
Hörstück von Niki Matita
Mit den Stimmen von:
Adam Železný, Albert Einstein, Anita Carey-Yard, Arnold Schönberg, Barborka, Christiane Lörch-König, Eduard Svoboda, Eugen Hadamowski, Filiz, Friederike Maier, Hana Železná, Hans Bredow, Heinrich George, J. Strnad, Jacek, Karl Napf, Dr. Křižík, Mary C, Rudolf Formis und anderen
Komposition und Realisation: die Autorin
Produktion: Tschechischer Rundfunk 2023
Begründung der Jury:
„Niki Matita, die sich an den beiden Standorten Stuttgart und Prag aufgehalten hat, erforscht dieses wenig bekannte Kapitel der Radiogeschichte anhand von wunderbarem, seltenem historischem Material und dokumentarischen Aufnahmen vor Ort und schlägt dabei eine Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart, in der Massenmedien und ihre Überwachung im Lichte von Meinungsfreiheit und politischer Unterdrückung in totalitär regierten Ländern diskutiert werden. Darüber hinaus ist die ästhetische Qualität des Stücks sehr anspruchsvoll, mit einem feinen Sinn für akustische Details und dramaturgische Passagen.“
Niki Matita schreibt zu ihrem Hörstück:
Das Projekt „Fernempfangsstelle“ ist von der Fernempfangsstation Solitude inspiriert. Es war eine Sendeanlage in einem Barockschloss, dem "Schloss Solitude" bei Stuttgart, die über Kurzwellenfunk die Kontinente verband. Die Geschichte dieser frühen Rundfunkanstalt ist heute lokal ebenso vergessen wie die Lebensgeschichte ihres Erbauers. Die Komposition beschäftigt sich mit dem tragischen Schicksal des Radiopioniers und Technikers Rolf Formis.
Der gebürtige Stuttgarter Rudolf (Rolf) Formis hatte im Ersten Weltkrieg als Funksoldat gedient und gehörte zu den ersten Rundfunkteilnehmern im Nachkriegsdeutschland. Er war bereits als freier Techniker für die SÜRAG, die Süddeutsche Rundfunk AG, tätig, als der Sender gegründet wurde und am 10. Mai 1924 ein regelmäßiges Programm aufnahm. 1928 beauftragte der erste Direktor der SÜRAG, Dr. Alfred Bofinger, Formis mit der Errichtung einer Fernempfangsstation auf Schloss Solitude auf einer Anhöhe bei Stuttgart, um Live-Berichte aus Übersee übertragen zu können.
Nach der Machtergreifung der NSDAP brachte die Gleichschaltung aller Rundfunkanstalten in Deutschland diese auf Linie. Rolf Formis hatte sich wiederholt den Unmut der Neuen Herren zugezogen und war mit dem Stuttgarter Kabelattentat in Verbindung gebracht worden, bei dem eine Live-Radioübertragung einer Rede Adolf Hitlers mit einem Axthieb unterbrochen wurde. Am 24. April 1934 überquert Rolf Formis die tschechoslowakische Grenze und flieht über Pilsen nach Prag. Der mittellose und festsitzende Formis nimmt schließlich eine Stelle bei der Schwarzen Front als Leiter des Zeitschriftenvertriebs an. Der Anführer Otto Strasser erkannte schnell den Nutzen der brillanten technischen Fähigkeiten des Schwaben für seine Organisation und beauftragte Formis mit dem Bau eines geheimen Senders, um Anti-Hitler-Propaganda ins Reich zu senden. Sie richteten sich in einem Landgasthof, dem Hotel Záhoří, an der Moldau ein, das heute im Wasser eines Stausees liegt.
Der Chef des Sicherheitsdienstes Reinhard Heydrich beauftragte den SS-Scharführer Alfred Naujocks und Werner Göttsch mit der besonderen Aufgabe, Rudolf Formis zu entführen und damit den unliebsamen Radiosender zu beseitigen. In der Nacht des 23. Januar 1935 wird Formis im Hotel Záhoří ermordet. Die Täter Alfred Naujocks, Werner Göttsch und ihre Begleiterin Edith Kersbach können zurück nach Deutschland fliehen. Die tschechoslowakische Polizei ermittelt wegen Mordes.
Rolf Formis wurde auf dem kirchlichen Friedhof in Slapy beigesetzt; lokale Hobbyhistoriker pflegen sein Grab bis heute.
S. Kivi: Cut Off
Hörstück von S. Kivi
Komposition und Realisation: die Autorin
Produktion: Finnisches Radio 2023
Mit Internet-Blackouts und zusammengebrochenen Mobilfunknetzen tappen Millionen von Menschen im Dunkeln, und das tägliche Leben wird von allgemeiner Unruhe und Angst beherrscht. „Cut Off“ lädt seine Zuhörer ein, einen anderen Zustand zu erleben, den absurden Raum zwischen den Welten. Und doch spiegelt dieser Zustand ein sehr menschliches Gefühl wider: die Zuwendung zu und Fürsorge für unsere Lieben - Gefühle, die jeder kennt, überall auf der Welt.
Die Jury äußerte sich zur besonderen Erwähnung wie folgt:
„Ein brillanter Plot, der von den ersten Minuten an mit großer Nüchternheit Spannung aufbaut und uns schließlich die Gerüchte der Straße bis hin zur Intimität durch diesen Dialog erleben lässt - diesen zerbrechlichen und unverzichtbaren Faden der Kommunikation, bis er reißt. Die Welt der Klänge, durch die uns das Stück führt, ist manchmal die Hauptquelle des Plots, manchmal eine Quelle der Flucht, manchmal ein Leitmotiv für einen dramatischen Ausgang.“
Rúnar Magnússon: German Tapes part 2 – „Vielleicht lebe ich hier“
Sample-Kollage von Rúnar Magnússon
Komposition und Realisation: der Autor
Produktion: ORF Kunstradio 2023
Der aus Island stammende Künstler und Komponist Rúnar Magnússon bekam vor vielen Jahren eine Tasche voller Kassetten mit Hörspielaufnahmen deutscher Rundfunkanstalten geschenkt. Diese Aufnahmen stammen aus dem Zeitraum von Anfang bis Mitte der 1990er Jahre. Im Sommer 2023 verbrachte Magnussen drei Wochen im Elektronischen Musik Studio (EMS) in Stockholm, wo er die Bänder digitalisiert hat.
Er ließ die digitalisierten Kassetten durch verschiedene Prozesse laufen, hauptsächlich durch die modularen Buchla Synthesizer, und nahm die Ergebnisse stundenlang auf. Diese Aufnahmen wurden zur Klangquelle für das Stück "German Tapes", das ursprünglich aus drei Teilen besteht.
Manja Ristić und Marko Paunović: Rituals in transfigured time
Hörstück von Manja Ristić und Marko Paunović
Regie und Komposition: die Autoren
Produktion: Serbischer Rundfunk 2024
Ebenfalls unter die Finalisten des EBU Palma Ars Acustica kam eine Produktion des Serbischen Rundfunks. "Rituals in transfigured time" von Manja Ristić und Marko Paunović setzt sich aus persönlichen Archiven von field recordings zusammen, die im Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens gesammelt wurden - unberührte Natur, Denkmäler, verlassene Militärgebiete, gefundene Klänge und Radiomitschnitte - all dies kombiniert mit den elektronischen Klängen analoger Synthesizer. Eine Reise in die dunkle sozialistische Zeit der Kindheit und des Aufwachsens des Autors.
Topos Kolektiv: Station Zero - Part 4: Žižkov
Hörstück von und mit dem Topos Kolektiv
Produktion: Tschechischer Rundfunk 2023
Die zweite beim Wettbewerb eingereichte Produktion des Tschechischen Rundfunks „Station Zero“ ist eine Serie von fünf Kompositionen, die vom TOPOS KOLEKTIV geschaffen und aufgeführt wurden und sich auf Orte konzentrieren, die mit der Übertragung von Radiosignalen verbunden sind: Orte, an denen technische Monumente emporragen und an denen Energie verwendet wird, um elektromagnetische Wellen zur Übertragung des Signals zu erzeugen. In Bezug auf den Rundfunk sind sie eine Art „Nullpunkt“ - Stationen, an denen die Energie verstärkt wird, um ihren Weg durch die Luft zu den Ohren der Zuhörer zu finden.
Die einzelnen Kompositionen entstanden direkt an den Sendern, wobei das Ensemble stets die Aspekte des jeweiligen Ortes suchte und mit Klang erforschte und zusammen mit den Musikinstrumenten hörbar machte. Die Aufnahmen dieser Aktivitäten wurden zu Bausteinen für die kompositorische Arbeit im Studio. So finden sich in den Kompositionen sowohl traditionelle als auch extensive Spiel- und Gesangstechniken, wobei der Ort und der Sender selbst als Instrument eingesetzt werden.
Sie hören den vierten Teil auf dem Sender Žižkov, dem markantesten Wahrzeichen Prags, und die akustische Perspektive seiner 134 Meter langen Seitenröhre mit Nottreppe. Die Stadt aus 130 Metern Höhe zu hören, ist wirklich einzigartig, ebenso wie die Erfahrung, das elektromagnetische Feld zu hören, das von einem speziellen Mikrofon im Inneren des Senders aufgezeichnet wird. Die Signale der Glocken von Prag, der „Stadt der hundert Türme“, verschmelzen mit den elektromagnetischen Signalen zu einem Ganzen.