„Immer jetzt“ ist der Klang des Kyudo. Die traditionelle japanische Bogenkunst ist Materialklang – Klangimpulse strukturieren den rituellen Schussverlauf. Ethische Werte wie Aufrichtigkeit, Höflichkeit und Gruppenharmonie dominieren im Übungsraum (Dojo). Das Klangholz, der explosive Bogenabschuss, die Treffer im papierüberspannten Ziel (Mato), das trockene Knarzen des geharzten Lederhandschuhs: All das wird 249 freischwingenden Klaviersaiten im geöffneten Flügel zugespielt: „Immer jetzt“ – der zurückbleibende Resonanzklang, analog der zurückbleibenden Körperform des Kyudoka (des Kyudo-Schützen) nach dem Abschuss.
Die rhythmische Struktur des Hörstücks entsteht durch individuelle Schussverläufe und rituelle Gruppenformationen. Ziel-Einschüsse lösen weitere Klangbearbeitungen und dynamische Wechsel in O-Töne aus japanischen Dojos aus, was die Struktur des Hörstücks immer wieder verdichtet.
Komposition, Interpret und Regie: Johannes S. Sistermanns
Ton und Technik: Wolfgang Rein, Andreas Völzing, Andrea Greß und John Krol
Produktion: SWR 2024 - Premiere
Johannes S. Sistermanns arbeitet international als Komponist, Performer, Autor, Dozent, Kurator. Neues Musiktheater studierte er 1976-84 an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln bei Mauricio Kagel. 1977 nahm er indischen Gesangsunterricht am B.H.U. in Benares/Kolkatta, Indien und promovierte in Musikwissenschaft an der Universität Osnabrück. Seine Kompositionen realisiert er in Media/Elektroakustik, radiofonen Hörstücken und Radiokunst, Neuem Musiktheater, Instrumentalmusik, Performance, Urban Environment, mehrmedialen Raum-Klang-Licht-Plastiken. Grafische Notation und Klangkunst/Soundart u.a. (Knitting Factory 1995 New York | EXPO 2000 Weltausstellung Hannover | Adelaide/Melbourne Festival 1997/2000 | Donaueschinger Musiktage 1996-2016 | ‚Klangdom‘ ZKM Karlsruhe | NYCEAMF Festival New York 2017-2024 | Musicarama Hong Kong | Internationale Weltmusiktage Sydney) sowie Gastdozenturen (Darmstädter Ferienkurse | HKB Bern | ETH Zürich | Nagoya College of Music) Ausstellungen, Performances, Stipendien, Residenzen, Dozenturen führen ihn nach Indien, USA, Japan, Australien, VR China, Europa.
Er lebt zeitweise in Varanasi/Kolkatta, Paris, New York, Australien, Tokyo/Kyoto. Preise u.a. 1997 Karl-Sczuka-Förderpreis SWR | Deutscher Klangkunst-Preis 2008 (WDR, Skulpturenmuseum Marl) – 12. Deutscher Musiker*innenpreis 2020 (Komposition/Klangkunst | GEMA Berlin). Seine mehr als 50 radiofonen Hörstücke sind, vielfach ausgezeichnet. 1997 erhält er den ersten Karl-Sczuka-Förderpreis für ‚Just and Thongs‘, 2013 Prix Palmarès ‘Ausculta’ (SWR) Mention spéciale, 2015 den ‚Prix Presque Rien 2015 ‘La Muse En Circuit/ Association Presque Rien (Luc Ferrari)‘ Paris. 2017 wird ‚Wenn Täter jetzt sagen‘ mit dem 1. Preis Kategorie Kurzdoku/Feature im DOKKA Festival und 2022 den Grand Prix Nova – Silver Award von Radio România ausgezeichnet. In Kooperation mit dem SWR sind seit 1985 sechzehn Hörstücke entstanden.