Nachdem Albertine zufällig bei einem Reitunfall stirbt, verschieben sich im 2. Teil des Hörspiels die Perspektiven der Protagonisten. Marcels Eifersucht jetzt von der Trauer um den Tod der Geliebten relativiert und das schmerz- wie lustvolle Vergessen Albertines zum Thema seiner Gedanken.
Wie soll er die vergangene, die verlorene Zeit in der Erinnerung wieder heraufbeschwören? Sex mit der Freundin Andrée ist kein Ausweg. Marcel begegnet per Zufall seiner Jugendliebe Gilberte, die er nicht sofort erkennt. Sie ist die Tochter des verstorbenen jüdischen Kunstliebhabers Charles Swann mit der Kokotte Odette und trägt nun einen adligen Namen. Das gesellschaftliche Maskenspiel homo- wie heterosexuellen Begehrens beginnt in neuem Gewand.
Das Spiel mit seinen schönen wie gefährlichen Seiten enttarnt Proust gnadenlos wie aufklärerisch und nicht zuletzt komisch; es spiegelt sich im Venedig-Besuch mit Marcels Mutter und der bisexuellen Ehe, die Robert de Saint Loup und Gilberte eingehen und die Marcel am Ende nach Tansonville führt. Der Ort liegt in der Nähe von Combray und ist mit der Landschaft seiner Kindheit und Jugend verknüpft.
Die Textgestalt und der Titel des posthum erschienenen 6. Band der „Recherche“ werden immer wieder diskutiert, u.a. durch eine Fassung aus dem Nachlass, die unter dem Titel „Albertine disparu“ erschienen ist. Das Hörspiel nutzt die 2016 im Reclam Verlag erschienene deutsche Übersetzung von Bernd-Jürgen Fischer. Hier firmiert der 6. Band der „Recherche“ unter dem Titel „La Fugitive“, der mit „Die Entflohene“ übersetzt wurde.
Die Sprecherinnen und Sprecher mit ihren Rollen
Erzähler und Marcel (Felix Goeser)
Robert de Saint Loup (Sebastian Blomberg)
Andrée (Elisa Schlott)
Gilberte (Anne Müller)
Bloch (Paul Herwig)
Maman (Angela Winkler)
Madame de Guermantes (Stephanie Eidt)
Monsieur de Guermantes (Ulrich Noethen)
Aimé (Friedhelm Ptok)
Jupien (Felix von Manteuffel)
Concierge (Nico Holonics)
Portier (Martin Engler)
Hörspielbearbeitung: Manfred Hess und Hermann Kretzschmar
Musik: Ensemble Modern
Komposition: Hermann Kretzschmar
Regie: Ulrich Lampen
Produktion: SWR/DLF 2022 - Premiere