Bester Film, beste Regie, bestes Originaldrehbuch, beste Hauptdarstellerin und bester Schnitt: Ein Raunen soll durch den Presseraum gegangen sein, als der Independent-Film „Anora“ einen Preis nach dem anderen abräumte. Im Film geht es um eine Sexarbeiterin, die spontan einen russischen Oligarchensohn heiratet.
Nicht nur gewann Mikey Madison als beste Hauptdarstellerin – Filmemacher Sean Baker gewann als zweite Einzelperson vier Oscars für einen Film. Der bisherige Rekordhalter war 1954 Walt Disney.

Bester Hauptdarsteller: Adrien Brody
Nur in einer nominierten Kategorie konnte „Anora“ die Trophäe nicht gewinnen: Der Preis für den besten Nebendarsteller ging an Kieran Culkin für seine schauspielerische Leistung in „A Real Pain“.
Bester Hauptdarsteller wurde – wenig überraschend – Adrien Brody, für seine Rolle in „Der Brutalist“ als jüdischer Architekt, der nach dem Zweiten Weltkrieg ein neues Leben in den USA anfangen will.

Brody gewann damit seinen zweiten Oscar, scheint aber selbst nicht so sehr darauf vorbereitet gewesen zu sein: Auf dem Weg zur Bühne fiel ihm auf, dass er noch einen Kaugummi im Mund hatte, und warf ihn prompt seiner Partnerin Georgina Chapman zu.
Mit „Anora“ gewinnt ein märchenhafter Film und verweist auf einen Trend in der Filmbranche.
Revanche-Kuss von Halle Berry
Ob Ohrfeigen oder Flitzer: Die Oscars waren in der fast hundertjährigen Geschichte des Preises oft Schauort des einen oder anderen Eklats. Der bleibt bei den diesjährigen Verleihungen aus.
Nur folgte ein Revanche-Kuss auf dem roten Teppich: Die Schauspielerin Halle Berry küsste ihren Schauspielkollegen Adrien Brody auf den Mund. Er selbst hatte Berry 2003 auf der Bühne leidenschaftlich küssend umarmt, als er den Schauspiel-Oscar für „Der Pianist“ entgegennehmen durfte.

Zurückhaltung bei politischen Statements
Dass das Weltgeschehen an den Academy Awards nicht vorbeigeht, hatte sich vornehmlich daran gezeigt, dass die Verleihung wegen der verheerenden Brände in Los Angeles verschoben werden musste.
Trotz der angespannten weltpolitischen Lage zeigten sich die Prominenten jedoch verhalten mit politischen Statements. Seit Donald Trump wieder an der Macht ist, hätte sich die eher demokratisch ausgerichtete Filmbranche politisch zurückgezogen. „Es ist sehr still geworden“, beobachtet Filmexpertin Anna Wollner im ARD-Podcast „11km“.
Solidarität mit der Ukraine
Einige, darunter auch „Konklave“-Drehbuchautor Peter Straughan, bekundeten jedoch mit Ansteckern ihre Solidarität mit der Ukraine. Auf der Bühne kam das Thema jedoch nur kurz zur Sprache. Moderator Conan O’Brien witzelte über den „mächtigen Russen“.
Die Schauspielerin Daryl Hannah, die den Preis für den Schnitt überreichte, rief „Slava Ukraine“, „Ruhm der Ukraine“. Die Auseinandersetzung Donald Trumps mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Oval Office hatte in den Tagen zuvor für viel Aufregung gesorgt.

Zeichen für Herkunft und Krisenregionen
Zoë Saldaña, die den Preis als beste Nebendarstellerin für „Emilia Pérez“ gewann, setzte subtiler ein Zeichen: Sie betonte in ihrer Dankesrede, dass sie „ein stolzes Kind von Einwanderereltern“ sei. „Ich bin die erste Amerikanerin dominikanischer Herkunft, die einen Academy Award entgegennimmt, und ich weiß, dass ich nicht die letzte sein werde“, betonte sie.
Die schwedische Schauspielerin und Sängerin Kayo Shekoni zeigte sich derweil solidarisch mit dem Kongo: Auf ihrer Schuhsohle war „Free Kongo“ zu lesen. In dem Land gab es zuletzt verstärkte Konflikte mit zahlreichen zivilen Opfern.
Auch der Gaza-Krieg blieb nicht unerwähnt: Schauspieler Guy Pearce („Der Brutalist“) trug eine „Free Palestine“-Anstecker. Außerdem erhielt der umstrittene israelisch-palästinensische Doku-Film „No Other Land“ einen Oscar.
Deutschland geht (fast) leer aus
Aus dem deutschsprachigen Raum hatte es gleich mehrere Hoffnungsträger gegeben. „Die Saat des Heiligen Feigenbaums“ war etwa als bester internationaler Film nominiert worden, ging aber leer aus.
Auch „Konklave“ von Regisseur Edward Berger war als „Bester Film“ nominiert worden, musste sich aber „Anora“ geschlagen geben. Nur der aus Schwäbisch-Hall stammende Gerd Nefzer wurde für seine Spezialeffekte im Blockbuster „Dune 2“ mit seinem mittlerweile dritten Oscar ausgezeichnet.
