Der Berliner Filmregisseur Burhan Qurbani liebt Klassiker und ihre Aktualisierung. In seiner Neuverfilmung von Alfred Döblins „Berlin Alexanderplatz“ mutierte der Berliner Proletarier Franz Biberkopf zu einem afrikanischen Flüchtling und sorgte vor fünf Jahren für großes Aufsehen, Kritikerlob und mehrere deutsche Filmpreise. Auch diesmal hat sich Qurbani einen Klassiker vorgenommen: Skakespears Richard III. lässt er in der Berliner Gangsterwelt von heute spielen.
Shakespeare in der Welt der Clans
Ein über 400 Jahre altes Stück wird aus der Zeit der englischen „Rosenkriege" in die Welt der Clans von heute versetzt. Wenn man es überhaupt konkret lokalisieren möchte, dann spielt alles im heutigen Berliner Bezirk Neukölln. Einerseits ist diese Verfilmung sehr historisch und vorlagengetreu: Auf eine sehr interessante Art haben der Regisseur und seine Drehbuchautorin Enis Maci die Sprache von Shakespeare in die Gegenwart übertragen: Es bleibt vieles erhalten, stärkt den Verfremdungseffekt. Zugleich wird es wenn dann klug aktualisiert.





Aus Richard III. wird Rashida York
Es gibt eine zweite, ganz wichtige Veränderung: Die Hauptfigur wird nämlich von einer Frau verkörpert, es ist eine Interpretation des Stücks, in der die Frauen plötzlich im Vordergrund stehen. Aus Richard III. wird Rashida York. Dieser Geschlechterwechsel hat mehrere Aspekte. Zum einen geht es um schlichtes Empowerment. Frauen ist nichts verboten, sie dürfen und können alles, und nehmen sich, was sie wollen. Allerdings sind Frauen keineswegs die besseren Menschen. Sie sind in diesem Film und seinen Clan-Kriegen blutrünstige Gewalttäterinnen, nicht anders als ihre Väter und Brüder.

Spannender Film mit unglaublich guten Schauspielern
Auch bei Burhan Qurbani bleibt „Richard III.“ eine Geschichte über eine Spirale aus Rache und Angst. Es ist besser, zu töten, als getötet zu werden und dass in einer brutalen Welt Verzeihung und Milde nicht immer die richtige Antwort sind. „Kein Tier so wild" ist eine furiose, originelle Verfilmung dieses nach wie vor aktuellen Klassikers. Sie ist überraschend überzeugend, enthält manchmal Musical-Elemente und viele poetische Verfremdungen. Insgesamt ein sehr spannender Film mit unglaublich guten Schauspielern.
Faszinierende Variante eines Klassikers
Manches in diesem Film ist unausgewogen, aber Regisseur Burhan Qurbani wagt etwas, er kümmert sich nicht um Konventionen. Er fragt auch nicht nach Klischees, wie den Identifikationsmöglichkeiten mit der Hauptfigur oder nach einem Happy End. Und seine unreine Erzählung einer Führerfigur, die von der Macht korrumpiert wird, vom eigenen Ehrgeiz getrieben, von Leidenschaften weggerissen, aber auch durch die Macht des Faktischen auf einen falschen Weg gebracht – diese Geschichte ist nicht nur überaus aktuell, sie steht auch William Shakespeare viel näher als der deutschen Filmförderung. Und das ist eine gute Nachricht.
Trailer „Kein Tier. So Wild“ von Burhan Qurbani
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