Vor über drei Jahren haben in Kabul die Taliban wieder die Macht übernommen. Das Leben der Bevölkerung hat sich radikal verändert. Insbesondere die Rechte der Frauen wurden stark eingeschränkt. Nicht alle wollten das widerstandslos hinnehmen. Die Doku „Bread & Roses“, produziert von Jennifer Lawrence und Malala Yousafzai, zeigt den Kampf und die Verzweiflung einer Gruppe mutiger Frauen in Kabul.
Nach dem Einmarsch der Taliban organisieren die Frauen Proteste
Am 14. August 2021 feiert Zarah Mohammadi in Kabul ihre Verlobung. Einen Tag später marschieren die Taliban ein und übernehmen die Macht. Und der ausgebildeten Zahnärztin Zarah wird der Boden unter den Füßen weggezogen
Innerhalb kurzer Zeit dürfen Frauen nicht mehr arbeiten und sollen in der Öffentlichkeit vollverschleiert sein. Mädchen dürfen keine weiterführende Schule mehr besuchen. Zarah lässt sich aber nicht beirren, organisiert Proteste und Demonstrationen.
Heimlich gedrehte Handy-Videos erzählen die Geschichten der Frauen
Anhand von selbst gedrehten Handyvideos erzählt der Film die Geschichte von Zarah und zwei weiteren Frauen: Sharifa hat für die Regierung in der Zeit vor den Taliban gearbeitet und hält sich lange zurück, auch aus Rücksicht auf ihre Familie, bis sie sich den Protesten anschließt.
Und Taranom ist Aktivistin und begibt sich als erste auf die Flucht. Auf eine ungewisse Reise nach Pakistan, wobei sie Armut Ungewissheit und Einsamkeit bald an den Rand der Verzweiflung bringen.
Die Bilder erschüttern durch ihre ungefilterte Nähe
Die Bilder zeigen hochgebildete Frauen, die als Lehrerin, Schriftstellerin oder Ärztin gearbeitet haben. Und die nun zur Hausarbeit und einem Leben im Schatten gezwungen sind. Sie treffen sich heimlich, essen zusammen, hören Musik auf einer Dachterrasse, sprühen Botschaften auf Hauswände. Sie denken nach über eine zivile Revolution und weinen zusammen, als eine von ihnen von den Taliban verschleppt wird.
Die Videos sind in ihrer ungefilterten Nähe erschütternd, denn sie machen den Kontrast deutlich zwischen den lebensfrohen, klugen, würdevollen Frauen und fundamentalistischen Besatzern, die sich anmaßen, die Hälfte der Bevölkerung aufgrund des Geschlechts und der Auslegung der Religion nicht nur herabzuwürdigen, sondern sie in ihrer Freiheit und Körperlichkeit gezielt auszulöschen.
Jennifer Lawrence unterstütze die afghanische Regisseurin Sarah Mani
Dass diese Videos existieren, ist ein Wunder. Über geheime Wege haben sie Regisseurin Sarah Mani erreicht. Die Afghanin ist selbst als Geflüchtete in den Westen gelangt und nachdem sie von US-Schauspielerin Jennifer Lawrence ermuntert und finanziell unterstützt wurde, hat sie es geschafft, mit den Frauen in Kontakt zu kommen und sie aus der Ferne angeleitet, wie man heimlich Aufnahmen von guter Qualität filmen kann.
Aus den Bildern hat die Regisseurin einen Film montiert, der einen tief berührt und betroffen macht. Aus Kabul vermittelt er Einblicke in ein immer noch belebtes Stadtbild, aus dem aber die Frauen mehr und mehr verschwinden.
Die Lage der Frauen in Afghanistan hat sich drastisch verschlechtert
So ist „Bread & Roses“ ein wichtiges Dokument aus einer Welt, die durch andere Kriege und Krisen gerade aus dem Fokus der Öffentlichkeit verschwunden ist. Die Lage der Frauen in Afghanistan hat sich aber laut Human Rights Watch gerade durch schärfere Gesetze der Taliban noch einmal drastisch verschlechtert. Zahra, Sharifa und Taranom haben es glücklicherweise geschafft, das Land zu verlassen.
Obwohl hierzulande einige immer noch unterschiedslos nach Abschiebungen rufen, hat der europäische Gerichtshof vor einigen Wochen immerhin entschieden, allen afghanischen Frauen grundsätzlich den Flüchtlingsstatus zuzusprechen. Ihre Heimat scheint zur Zeit wie ein einziges großes Gefängnis.
Trailer „Bread & Roses“, ab 22.11. auf Apple TV+
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