CINELATINO Festival

Kinoabend mal anders – Mit diesen Filmen überrascht Lateinamerika

Stand

Von Autor/in Luisa Sophie Klink

Lust auf Abwechslung jenseits des Mainstreams? Auf dem Programm des Filmfestivals „CINELATINO“ stehen lateinamerikanische und spanische Spiel- und Dokumentarfilme. Das Repertoire ist groß und reicht von Teenieschwangerschaften, Liebe im Drogenmilieu, über Mythen, bis hin zum bedrohten Lebensraum indigener Völker oder ganz alltäglichen Dingen fremder Kulturen.

Das „CINELATINO“ gilt als das größte Filmfestival für lateinamerikanische und spanische Filme in ganz Deutschland. Eine Kostprobe der teils bereits preisgekrönten Filme gibt es in Kinos in Stuttgart, Reutlingen, Tübingen und Freiburg. Hierbei steht die Vielfalt und Kinematographie lateinamerikanischer Länder im Vordergrund.

Ein Mann steht mit einem Schäferhund auf einem Hügel. Sie schauen auf einen mit Autos vollgeparkten Parkplatz hinunter.
"El ladrón de perros", der Hundedieb, ein Film aus Bolivien: Martín, ein Waisenjunge und Schuhputzer aus La Paz klaut den geliebten Schäferhund seines besten Kunden Novoa. Scheinheilig begibt er sich mit ihm gegen Finderlohn auf die Suche mit ihm. Der Grund für sein Handeln liegt aber tiefer.

Vier Filme aus der Dominikanischen Republik

Der diesjährige Schwerpunkt des Festivals liegt thematisch beim indigenen Amazonien als Wächter des Klimas und geographisch gesehen bei der Dominikanischen Republik, weshalb der Inselstaat im Karibischen Meer mit gleich vier Filmen vertreten ist.

Die Bandbreite der Produktionen ist dabei auch innerhalb eines Genres groß. Während beim Dokumentarfilm „Colosal“, der auf der Berlinale Weltpremiere feierte, von Nayibe Tavares-Abel politische Geheimnisse durch historische Recherchen und Familiengespräche aufgedeckt werden, geht es bei „Ramona“ von Victoria Linares Villegas um die innere Zerrissenheit schwangerer Teenager. Mit dem Film gewann die Regisseurin bereits einen französischen Dokumentarfilmpreis.

Zwischen Crack und Liebe: Dominikanischer Spielfilm setzt auf große Gefühle

Ein Mann kniet inmitten zahlreicher Blumensträuße eines Marktstandes und scheint überwältigt von der Vielfalt zu sein.
Der Regisseur des Films „La bachata de Bionico“ Yoel Morales scheint ein wahres Allroundtalent zu sein. Neben Liebesfilmen schreibt er auch Komödien oder Horrorfilme. Der Film selbst ist bereits vielfach ausgezeichnet worden, etwa mit einen Award für den besten Schauspieler beim Huelva Latin America Film Festival oder in der Kategorie „bester Film“ beim Dominikanischen Filmfestival New York.

„La bachata de Bionico“ dagegen ist ein Liebesfilm mit großen Gefühlen. In dem Spielfilm von Yoel Morales ist die Hauptfigur Bionico unsterblich verliebt. Für La Flanca will er von jetzt auf gleich sein gesamtes Leben umkrempeln. Und das ist wahrlich bislang nicht rühmlich, denn Bionico ist drogensüchtig. Crack bestimmt sein Leben. Sie ist bereits einen Schritt weiter und macht einen Entzug.

Beflügelt von der Liebe möchte Bionico schnellstmöglich auch clean werden und legalen Jobs nachgehen, um in ein gemeinsames Leben mit La Franca samt Wohnung starten zu können. Dass dabei nicht alles glatt läuft, versteht sich von selbst.

Schließlich schreibt das Leben seine eigenen Gesetze. Sein Freund Calvita spielt im übertragenen Sinne das Teufelchen auf seiner Schulter und unterbreitet Bionico wieder und wieder die Vorzüge des „High-Seins“. Doch am Ende hält er eine romantische Idee für La Franca bereit, die ihr Flügel verleihen soll.

Natürliche Süße inmitten bitterer Lebenswirklichkeit

Menschenmenge
Die Regisseurin Johanné Gómez Terrero lässt in „Sugar Island“ altes Wissen zu einer Art Manifest von Anti-Rassismus und Dekolonisierung im Kampf um Gerechtigkeit für die Zuckerrohrarbeiter werden. Sie kommt aus der AfroDiaspora Community.

Wie auch „La bachata de Bionico“ ist der Spielfilm „Sugar Island“ für den Publikumspreis nominiert. Hierbei geht es, wie der Titel schon verrät, um das Gold der karibischen Insel, Zuckerrohr. Die Arbeit auf den Plantagen ist hart und gefährlich. Im Leben der 13-jährigen Protagonistin, deren Familie über Generationen als Erntehelfer tätig ist, ist das Hier und Jetzt so lebendig wie das Arbeiten auf einer Zuckerrohrplantage in der Kolonialzeit.

In der heutigen Zeit befindet sich die Familie im Kampf mit der neuen Technik. Eine Maschine soll ihren seit Jahrzehnten sicheren Job gefährden. Sie erntet nämlich in einer Stunde so viel, wie Menschen an einem ganzen Tag.

Und dann ist Makenaya auch noch ungewollt schwanger – eine Last, die die Arbeit und den Verdienst gefährdet. Im Film ist das der Dreh- und Angelpunkt, durch den der Zuschauer Einblicke in die Afrokultur und die religiösen Traditionen und afro-dominikanischen Mythen des Landes bekommt.

Indigenes Amazonien als Wächter des Klimas

Neben dem Länderschwerpunkt „Dominikanische Republik“ legt das CINELATINO Festival thematisch den Fokus auf die Rolle des Amazonas für die Umwelt. Insbesondere die Filme „Helena de Sarayaku“ aus Ecuador und die peruanischen Filme „Karuara la gente del río“ und „Raíz“ beschäftigen sich mit der Bedeutung Amazoniens für den Klimawandel.

Im Rahmen der 16. Konferenz zum UN-Biodiversitätsabkommen in Kolumbien wurde vergangenes Jahr die dringende Forderung nach einer Anerkennung des Amazonasgebiets als Subjekt mit eigenen Rechten laut. Der Schutz des besonderen Ökosystems ist essentiell für die Kohlenstoffbindung, die Biodiversität und die Klimaregulierung weltweit.

Philosophie indigener Völker bewahrt Biodiversität und Artenvielfalt

Obwohl indigene Völker immer noch kaum bei globalen politischen und wirtschaftlichen Strukturen Beachtung finden, tragen sie paradoxerweise mit ihrer Lebensweise und ihrer Philosophie entscheidend zur Bewahrung des Artenreichtums des Amazonas bei.

Im Dokumentarfilm „Helena de Sarayaku“ aus Ecuador etwa erkennt der Zuschauer einen radikalen Gegensatz zur westlichen, rechtlichen Auffassung von Natur als Objekt, Eigentum oder Ressource. Der Wald wird von den indigenen Völkern als lebendiges Wesen betrachtet, dessen Rechte anerkannt werden sollen.

Ein Mädchen steht in einem Fluss.
Als Sarayaku von einer schweren Überschwemmung heimgesucht wird, ist klar, dass die größte Gefahr für das kleine Dorf am Amazonas der Klimawandel ist.

Eriberto Gualinga, der Regisseur des Films „Helena de Sarayaku“ stammt selbst aus Sarayaku in Ecuador und ist Teil des Kichwa-Volkes. Mit seinem Film, der zwischen zwei Welten spielt, möchte er die Probleme seiner Heimat sichtbar machen und erzählt aus den Augen der 17-jährigen Helena Gualinga, deren Vater Schwede ist und deren Mutter im kleinen Dorf Sarayaku im Amazonas aufgewachsen ist.

Schnell lernt sie die Ausbeutung des Waldes und Lebensraumes durch mächtige Ölfirmen kennen und erhebt bei Demonstrationen ihre Stimme mit anderen indigenen Völkern. Doch erst bei einer Überschwemmung des Dorfes erkennt sie die größte Gefahr für ihre Heimat: den Klimawandel.

Zwei animierte Menschen kochen.
Das Volk der Karuara sieht seine Existenzgrundlage durch Ölbohrungen bedroht. Die Hauptdarstellerin Mari Luz Canaquiri gründete eine Frauenorganisation, die nicht nur für gute Bildung kämpft, sondern sich auch für die Anerkennung des Marañón-Flusses als juristische Person mit Rechten einsetzt.

Peru legt Schwerpunkt auf Umweltthemen

Einen etwas anderen Ansatz, sich den Themen „indigenes Amazonien“ und Klimawandel zu nähern, haben der peruanische Regisseur Miguel Araoz Cartagena und die kanadische Regisseurin Stephanie Boyd bei „Karuara la gente del río“. Sie setzen auf eine mystische Annäherung des Themas und lassen die Zuschauer durch handgemachte Animationen in die faszinierende spirituelle Welt indigener Völker eintauchen.

Achtjähriger Junge sitzt auf einem Stuhl, hält ein Alpaka an einer Schnur. neben ihm liegt ein Hund.
Neben Alpakas spielt für den achtjährigen Feliciano Fußball eine große Rolle. Nach 36 Jahren hat Peru wieder die Chance, sich für die Fußballweltmeisterschaft zu qualifizieren.

Auch der peruanische Film „Raíz“ dreht sich um das Thema Umwelt. Mit seinem Ansatz durch eine Familiengeschichte auf die Problematiken hinzuweisen, räumte er bei der Berlinale einen Preis in der Kategorie „Best Film for Special Mention of the Generation Kplus International Jury“ ab.

Ein achtjähriger Junge wird bei seiner täglichen Arbeit, dem „Alpakahüten“ mit dem Thema Wasserverschmutzung konfrontiert. Einem See muss er fern bleiben, da sich in dessen Nähe die Minen eines Bergbauunternehmens befinden.

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