Machtspiele und Verführung im Job

Erotikthriller mit Nicole Kidman: In „Babygirl“ geht es um eine verhängnisvolle Affäre

Stand
Autor/in
Rüdiger Suchsland

Eine verhängnisvolle Affäre: In „Babygirl“ von Regisseurin Halina Reijn spielt Nicole Kidmamn eine Powerfrau mit sexuellen Unterwerfungsphantasien. Eines Tages lässt sie sich mit dem Praktikanten ein. Aber wer begeht hier wirklich Machtmissbrauch?

Das Interessanteste am Film ist die Hauptfigur

Der Clou des Films „Babygirl“ ist so einfach wie wirkungsvoll: Regisseurin Halina Reijn dreht unsere übliche Wahrnehmung und die üblichen „Machtverhältnisse“ einfach mal um. Wir haben eine sehr, sehr mächtige Powerfrau und einen jungen aufstrebenden Praktikanten. Vielleicht hätten wir Zuschauer und die von Nicole Kidman so kristallin-eiskalt wie gläsern-zerbrechlich gespielte Hauptfigur früher ahnen müssen, das bei dem jungen Mann mehr als eine Schraube locker sitzt.

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Romy Miller (Nicole Kidman) ist Gründerin und CEO eines Unternehmens, das gerade an der Börse durchstartet. Bild in Detailansicht öffnen
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Privat ist sie glücklich verheiratet mit einem renommierten Theaterregisseur (Antonio Banderas) und Mutter zweier Töchter. Bild in Detailansicht öffnen
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Unter den neuen Praktikanten in Romys Firma ist auch Samuel (Harris Dickinson), der sich selbstbewusst über alle Regeln hinwegsetzt. Bild in Detailansicht öffnen
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Der neue Praktikant Samuel fordert Romys Dominanz heraus und entfacht unterdrückte Leidenschaften in ihr. Bild in Detailansicht öffnen
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Die beiden beginnen eine Affäre, die bald alle Grenzen sprengt. Bild in Detailansicht öffnen
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Romy (Nicole Kidman) kann nicht mehr zurück, verliert zunehmend die Kontrolle und setzt damit alles aufs Spiel. Bild in Detailansicht öffnen

Das mit Abstand Interessanteste an diesem Film ist die Hauptfigur. Allein wie sie in den ersten Minuten eingeführt wird: Man sieht, wie sie Sex mit jenem Mann hat, der sich bald als ihr Ehemann entpuppen wird. Vor allem sieht man, dass sie kurz danach aufsteht und sich aus dem Schlafzimmer schleicht. Offensichtlich hat sie den Höhepunkt nur vorgetäuscht. Dann sucht sie auf ihrem Laptop eine Pornoseite auf, befriedigt sich selbst und erlebt nun auch einen Orgasmus.

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Der neue Praktikant Samuel fordert Romys Dominanz heraus und entfacht unterdrückte Leidenschaften in ihr.

Wer missbraucht hier wen?

Dieser Film bricht gleich mit mehreren Tabus: die Hauptfigur ist eine Frau und begeht scheinbar „Missbrauch“ und „Übergriffe“. Aber die eigentliche interessante Frage dieses Films ist, wer hier denn den Übergriff vornimmt und wer hier wirklich Missbrauch begeht?

Am Ende ist dieser Film unglaublich puritanisch und in diesem Sinn typisch amerikanisch. Gewohnter Kitsch aus Hollywood, der die gesellschaftlichen Verhältnisse und die konservative Moral der amerikanischen Mehrheit nur bestätigt und noch nicht einmal ironisch in Frage stellt.

Filmstill
Die beiden beginnen eine Affäre, die bald alle Grenzen sprengt.

„Babygirl“ möchte die „Me too“-Bewegung kritisch hinterfragen

In jedem Fall geht es hier um Sex und Erotik, Post-„Me too“. Und zwar in einem doppelten Sinn. Dieser Film denkt die „Me too“-Welle immer mit, und gleichzeitig überwindet er sie. Er gibt sie bis zu einem bestimmten Grad der Lächerlichkeit preis.

Tatsächlich ist ja vieles lächerlich und manches auch gefährlich an einer gesellschaftlichen Haltung, die Anschuldigungen unüberprüft übernimmt. Mit der Absicht, den Opfern eine Stimme zu geben, öffnet sie anonymen Anklägern Tür und Tor und versagt den Angeklagten die Stimme und die Möglichkeit der Verteidigung.

Nicole Kidman und Halina Reijn zeigen Mut

Ganz überzeugen kann der Film in vieler Hinsicht nicht. Man muss den Mut von Nicole Kidman, Harris Dickinson sowie der Regisseurin und Drehbuchautorin Halina Reijn aber anerkennen. Im Jahr 2024 einen Erotikthriller über Machtspiele, Verführung und Zustimmung am Arbeitsplatz zu drehen, scheint nicht die einfachste und bequemste Option zu sein.

Trailer „Babygirl“, ab 30.1. im KIno

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