Die Auseinandersetzungen über die Zukunft des Planeten, aber auch die Frage nach der ganz individuellen Zukunftsperspektive werden mehr und mehr zum Zwist zwischen Generationen, der nicht selten quer durch Familien läuft. Darum geht es auch in der neuen ARD-Serie „Wer wir sind“ mit Franziska Weisz und Lea Drinda. In Halle trifft dabei eine überforderte Polizei auf eine Jugend, die nicht weiß wohin mit ihrer Wut.
Zwischen Entfremdung, Hass und Hilflosigkeit
Eine Recyclingfirma in Halle entsorgt illegal Sondermüll und verschmutzt des Grundwasser - das zumindest werfen die Aktivistinnen und Aktivisten von „Red Flag Halle“ dem Unternehmer vor. Und sie campen vor seinem Firmensitz. Als rechte Hooligans provozieren und die Polizei trotzdem vor allem die Klimaschützer angeht, eskaliert die Situation.
Kommissarin Catrin, im Haus des Jugendrechts vornehmlich mit Intensivtätern beschäftigt, versucht, die Perspektive der Jugendlichen zu sehen. Allerdings ahnt sie nicht, dass sich unter den Protestierenden ihre Tochter Lisa befindet. Eine hoffnungsvolle Abiturientin mit der Aussicht auf ein Stipendium in den USA, aber auch mit dem unbedingten Willen, etwas verändern zu wollen.
Geschichte eines Generationenkonflikts
Ihre Eltern stehen für Recht und Ordnung, für gesellschaftliche Regeln, die im Zweifel aber im eigenen Sinn zurechtgebogen werden. So macht sich Polizistin Catrin erpressbar als sie versucht, ihre Tochter zu schützen. Die Jugendlichen übertreten dagegen Grenzen, zum Beispiel, um Missstände aufzudecken, und sie lassen sich zu Gewalt hinreißen.
Es geht aber nicht nur um Umweltprotest. Die Wut von Intensivtäter Dennis ist fast noch bedrückender, weil er zwar in einer betreuten WG untergekommen ist - dabei wird ihm von liberalen Pädagogen Verständnis und Toleranz entgegengebracht - und doch fühlt er sich ziemlich allein gelassen mit einer unzurechnungsfähigen Mutter, ihrem prügelnden Lebensgefährten und der Sorge um seinen kleinen Bruder.
Serie verliert sich nicht in ostdeutschen Klischees
Das ist gerade von Florian Geißelmann als Dennis, aber auch von Lea Drinda als Luise sehr intensiv gespielt und nicht immer leicht zu ertragen. Dass die Jugend hier doch sehr divers aufgestellt ist, verschiedene soziale Schichten, linkes Bürgertum, vietnamesische Einwandererkinder bis hin zu ukrainischen Flüchtlingen, das ist vielleicht doch eher Drehbuchwunsch als Wirklichkeit.
Andererseits thematisiert die Serie beiläufig und wirkungsvoll Migration und Antisemitismus, ohne sich in ostdeutschen Klischees zu verlieren oder zu moralisieren. So wird am ehesten eine Gesellschaft gezeigt, die nicht genau weiß, wie sie mit „DER“ Jugend umgehen soll. Die versucht, deren Ängste und Sorgen in das Koordinatensystem der Erwachsenen einzugliedern.
Der Serie „Wer wir sind“ gelingt es, eine spannungsgetriebene Handlung mit drängenden Generationsfragen zu verbinden. Und das passt ziemlich gut in die Zeit.
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