Theater

Der böse Wolf vorm „Grimminalgericht“ – Puppentheater in Koblenz

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Von Autor/in Henning Hübert

Wer ist der Bösewicht im Märchen? Ganz klar: Der Wolf. Im Koblenzer Justizzentrum steht er jetzt vor Gericht. Autor und Puppenspieler Stephan Siegfried hat mit der „Wölfchenverschwörung“ ein Stück voller Sprachwitz und Tiefgang geschrieben: Was ist Beweis, was ist Vorurteil?

Die echte Arrestzelle lässt man in dem endlos langen Flur rechts liegen, dann geht es nach links ins Grimminalgericht, das dem frisch verhafteten bösen grauen Wolf den Prozess macht – wegen seiner Verbrechen in den Grimm‘schen Märchen „Rotkäppchen“, „Der Wolf und die sieben jungen Geißlein“ sowie dem britischen Volksmärchen „Die drei kleinen Schweinchen“.

Ein Kapitalverbrecher, endlich von Hahn und Kater im Sack gefangen, beteuert er permanent seine Unschuld.

Heftiger Tatvorwurf gegen den Wolf

Autor Stephan Siegfried spielt die graue kuschelige Klappmaulpuppe und erweitert sie leicht schräg dahinter stehend durch seine Spielerfigur - eine Hand Mensch, die andere Tatze. Als Hauptfigur ist Wölfchen fast die ganze Zeit auf der Bühne. Zuerst im nüchternen Kommissariat, nach der Pause vor Gericht.

Der Tatvorwurf ist heftig. Es geht ja immerhin um zehn tote Wesen. Die Sprache dabei ist volkstümlich und voller Witz. Beispiel: Im Grimminalgericht tritt als Zeuge das Schweinchen aus dem Steinhaus auf – es heißt Elsa U. Anders betont: El Sau.

Wolfs Alibi wird ignoriert

Der Vorsitzende ist ein gehörnter Schafrichter, der Wölfchens Alibi einfach ignoriert. Er weiß ja schließlich, was der Wolf für einer ist, Märchen-Vorwissen sei Dank.

„Ich habe mir überlegt, was ich für einen Plot-Twists einbauen könnte“, sagt Stephan Siegfried. „Denn natürlich ist dieses Vorurteil erst mal: Der Wolf ist an allem schuld. Wie könnte es denn noch anders sein?“

 Ermittler Hahns vermutet die Unschuld

Die junge Puppenspielerin Sophia Walther spielt in dieser musikalischen Puppentheaterkomödie mit Gesangseinlagen den Ermittler Hahns – roter Kamm, gelber Schnabel, graue Bluse. In dieser Figur lebt die Unschuldsvermutung. Hahns forscht, grübelt, zweifelt immer dort, wo die anderen fünf anklagenden Tierpuppen schon wissen.

Sophia Walther ist seit zwei Spielzeiten im Koblenzer Ensemble. Gelernt hat sie das Puppenspiel an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ – als eine von ungefähr zehn Studierenden im Jahrgang.

Puppentheater regt die Fantasie an

Sie hält den Kopf des Hahns nah an ihr eigenes Gesicht. Auch wenn sie deutlich ihre Lippen bewegt – meistens schaut man auf den Schnabel und hört dem Tier zu.

„Das meiste passiert im Kopf des Zuschauers. Natürlich haben wir Techniken, dass wir die Dinge beleben. Aber dass die Figur weint oder dass sie zwinkert, das tut sie ja nicht wirklich“, sagt Walther. „Der Zuschauer stellt das mit seiner eigenen Fantasie her. Das ist die Magie.“

Verschwörung fliegt am Ende auf

Sophia Walther treibt als Hahn das neue Stück zur überraschenden Wendung. Die Verschwörung gegen Wölfchen im Koblenzer Justizzentrum – sie fliegt auf.

Heutzutage sind nämlich die anderen viel gieriger als der Wolf. Der streift zwar von Tür zu Tür durchs Neubaugebiet – aber nur als harmloser Außendienstler, der darauf hofft, ein paar Unterschriften für neue Hausratsversicherungen abzukriegen.

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