Die Internationalen Händelfestspiele in Karlsruhe starten am Badischen Staatstheater in diesem Jahr mit Georg Friedrich Händels erstem großen Opernerfolg in England „Rinaldo“. In Karlsruhe inszeniert Hinrich Horstkotte das barocke Meisterstück, Rinaldo Alessandrini dirigiert und der gefeierte Countertenor Lawrence Zazzo verkörpert den Titelhelden.
Rinaldo als überdimensionales Puppentheater
In der Karlsruher Produktion könnte man denken, die Figuren in Georg Friedrich Händels „Rinaldo“ seien von unsichtbaren Fäden geleitet, der Spielführer heißt Hinrich Horstkotte. Der Regisseur war ursprünglich Marionettenspieler. Als überdimensionales Puppentheater auf einer Guckkastenbühne mit Seitenprospekten und Holzboden inszeniert er die Oper bei den Karlsruher Händelfestspielen.
Das macht Sinn, denn Händels italienischen Opern agieren kaum psychologisch ausgefeilte Individuen, sondern schemenhafte Figuren aus Torquato Tassos Märchen-Epos des „Befreiten Jerusalem“. Sie werden wie an Fäden durch ein Labyrinth der Gefühlsverwirrungen und intriganten Zaubereien geführt.
Der mittelalterliche Kreuzzug ist lediglich eine Folie im Hintergrund. In diesem bleibt auch ein Panorama von Jerusalem mit der goldenen Kuppel des Felsendomes in der Mitte. Wie aus einer Orange schält sich die Zauberin Armida aus ihr heraus, um die Geliebte Almirena des Ritters Rinaldo in ihr magisches Reich zu entführen. Sie ist der Schwachpunkt des Helden. Mit seiner Suche nach ihr hat er einfach keine Zeit mehr, die Sarazenen zu vertreiben.

Bühnenperfektion dank Kostüm, Bühnenbild und Animation
In Armidas Zauberwelt geraten alle Beziehungen durcheinander, hier sind Täuschung und Enttäuschung das Grundprinzip. Dem folgt der Gesamtkunstwerker Horstkotte, der auch für die Bühne und die fabelhaften Kostüme verantwortlich zeichnet.
Da gibt es illusionistische Räume durch Kulissenschieberei, das Zitat des Himmelsauges mit vorbeiziehenden Vögeln aus einem Deckengemälde Andrea Mantegnas. Im zweiten Teil dreht sich die Spiegelachse und man schaut in den Zuschauerraum eines barocken Theaters. Die Sitzreihen sind Wellenkämme aus denen Delfine springen und Rinaldo von einem sirenenhaften Wesen verführt wird.
Zum Hit der Oper, der Tränenarie „Lascia ch’io piango“, verfließt der projizierte Zuschauerraum mit seinen Balkonen wie die Uhren in einem Gemälde Dális. Die wunderbar in die Szenerie eingearbeiteten Videoanimationen von Sven Stratmann erlebt man selten in solcher Bühnenperfektion. Das alles ist magische, durchaus witzige Schaulust und passt zum überquellenden Füllhorn der frühen Händel-Oper.

(K)ein Happy End
Am Ende geht scheinbar alles gut aus, das richtige Paar findet zueinander, Armida und ihr Sarazene Argante entfleuchen und Goffredo krönt sich im zerstörten Jerusalem zum Herrscher. Es ist die Wiederherstellung des Ursprünglichen durch Destruktion. Der Titelheld ist nach seinen bestandenen Abenteuern gegen Monster und Magie recht derangiert und blutbeschmiert. Liebesglück sieht anders aus.

Entdeckung des Abends: Suzanne Jerosme als Almirena
Lawrence Zazzo in der Titelpartie entspricht stimmlich ungewollt diesem zwiespältigen Schluss. Die großen Tage hat der Countertenor hinter sich, vieles klingt rau und oft rutscht er aus der hohen Lage in seine natürliche Baritonstimme, um Kräfte zu dosieren. Die virtuosen Koloraturen meistert er allerdings gut.
Das gilt umso mehr für die Entdeckung des Abends, Suzanne Jerosme als Almirena mit einer entsprechenden Hochseilstimme. Valeria Girardello gibt Armida mit magischem Mezzo und verzichtet auf hexenhaften Furor. Der Argante von Francesca Ascioti ein ungemein spielfreudiger Alt und der Gegenspieler Goffredo mit Jorge Navarro Colorado ein königlicher Tenor.
Unter der Leitung von Rinaldo Alessandrini spielen die Deutschen Händel-Solisten mit samtigem Schwung. Insgesamt ein vor allem optisch geglückter Auftakt der Händelfestspiele.
Zum Vorbericht von Rinaldo am Badischen Staatstheater mit Bildergalerie
Oper von Georg Friedrich Händel Theaterzauber vom Feinsten – „Rinaldo“ eröffnet die Händelfestspiele in Karlsruhe
Für seine Oper „Rinaldo“ ließ sich Georg Friedrich Händel 1711 einiges einfallen – fliegende Drachen und echte Vogelschwärme. Das Badische Staatstheater setzt auf animierte Bühnenbilder und spektakuläre Kostüme.