„Putsch“ am Theater Trier

Was, wenn eine populistische Kabarettistin Kanzlerkandidatin wäre?

Stand

Von Autor/in David Kirchgeßner

Es ist das Bühnenstück der Stunde: Im Theater Trier wird mit „Putsch – Anleitung zur Zerstörung einer Demokratie“ eine beißende Satire über eine dystopische Zukunft uraufgeführt – und verweist damit auf gegenwärtige Gefahren.

Eine Demokratie stürzen, das geht heutzutage auch ohne Gewalt. Das ist die These des Stücks „Putsch – Anleitung zur Zerstörung einer Demokratie“, das am Theater Trier Premiere feierte.

Statt Militärputsch erleben die Zuschauerinnen und Zuschauer eine Machtübernahme auf legalem Weg. Die Komödie spielt zwar in der Zukunft, trifft aber auf bitterböse Weise gegenwärtige Diskurse.

Darum geht es in „Putsch – Anleitung zur Zerstörung einer Demokratie“

Die rechtsdrehende Kabarettistin Klara Milkowski teilt aus gegen Minderheiten, „Ökodiktatur“ und Asylpolitik und sieht sich als Kämpferin gegen den „woken Zeitgeist“. Sie wird immer extremer – und schließlich aus ihrer Primetime-Fernsehsendung „Klaratext“ geworfen wird.

Von der populistischen Partei „Unser Haus Deutschland“ wird sie daraufhin als „Märtyrerin der Meinungsfreiheit“ entdeckt und startet eine politische Karriere. Klara wird Kanzlerkandidatin und bringt ihre Partei in die Regierungskoalition. Die Abschaffung der Demokratie scheint auf einmal greifbar nahe. Politik ist für Klara eine Show, Unterhaltung – bis es zum großen Knall kommt.

Dieses Autorenduo steckt hinter „Putsch“

Geschrieben haben „Putsch“ zwei Spitzen-Satiriker im Bereich Kabarett und Theater: Dietmar Jacobs und Alistair Beaton. Letzterer kennt sich als ehemaliger Redenschreiber für den einstigen britischen Premier Gordon Brown mit politischer Rhetorik aus.

Es ist nicht das erste sprichwörtlich heiße Eisen, das die beiden Autoren anpacken: Für Intendant Manfred Langner und das Theater Trier haben sich schon das Stück „Kardinalfehler“ geschrieben – über Machtmissbrauch und dessen Vertuschung in der katholischen Kirche.

Bei „Putsch“ blicken sie auf mögliche Tendenzen in der nahen Zukunft: „Was könnte in diesem Land vielleicht in vier Jahren passieren? Welche Entwicklung könnte es geben? Welche Leute könnten einer rechten Partei zum Beispiel sehr helfen, noch weiter nach vorn zu kommen?“, sagt Dietmar Jacobs. „Da haben wir uns ein paar Sachen ausgedacht, die Resonanz in der Realität finden.“

Szenen aus dem Theaterstück "Putsch" am Theater Trier
Oskar Falk von der fiktiven Partei „Unser Haus Deutschland“ bei einer Rede.

Politische Kabarettisten, Sprüche von Rechten

Welche real existierenden Kaberettisten oder Kabarettistinnen als Vorbilder dienten, darüber halten sich die Autoren bedeckt. Wer aufmerksam zuschaut, entdeckt jedoch eindeutige Anspielungen. Comedians wie Dieter Nuhr und Lisa Eckhart sind schließlich nicht schüchtern, ihre politischen Haltungen in ihren Shows kundzutun.

Zudem stecken in „Putsch“ Zitate von AfD-Politikern. Die Figur Oskar Falk, Multi-Millionär, rechter Intellektueller und Vorstand von „Unser Haus Deutschland“, tönt mit Sprüchen wie: „Wir werden sie jagen“ oder: „Echte Männer sind rechts, dann klappt’s auch mit der Freundin“ – Sätze die von Alexander Gauland und Maximilian Krah stammen.

Forum Rechts freundlich, bitte! Ist Kabarett nicht mehr links?

Michael Köhler diskutiert mit
Jürgen Becker, Kabarettist und Autor, Köln
Benjamin Eisenberg, Kabarettist, Bottrop
Anka Zink, Regisseurin und Kabarettistin, Bonn

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Demokratien weltweit unter Druck

Weltpolitisch nimmt das Stück zudem Bezug auf die zweite Amtszeit von US-Präsident Donald Trump und dessen Zusammenarbeit mit Tech-Milliardär Elon Musk beim Umbau des Staates. So werden auf der Bühne Social-Media-Nachrichten von und an Musk vorgelesen, und auch Trump bekommt immer wieder mal einen Spruch ab.

Vor allem bezieht das Stück sich aber auf die Entwicklungen hierzulande: Prominent wird von der „Brandmauer“ gesprochen, die der CDU-Vorsitzende und heutige Bundeskanzler Friedrich Merz als Abgrenzung zur AfD beschwor.

Änderungen bis kurz vor Schluss

Selbst aktuelle Ereignisse haben die Autoren vor der Uraufführung am 10. Mai ins Stück aufgenommen: So fanden das Chaos rund um die gescheiterte erste Abstimmungsrunde bei der Kanzlerwahl von Merz und die Besetzung gewisser Kabinettsposten der neuen Bundesregierung kurzfristig Eingang in „Putsch“.

Dabei war das so gar nicht geplant, sagt Dietmar Jacobs: „Vor anderthalb Jahren saßen wir manchmal da und dachten: Das ist unwahrscheinlich. Das passiert nicht. Und jetzt merken wir: Vielleicht laufen wir sogar manchmal der Zeit hinterher.“

Sehen so Koalitionsverhandlungen aus? Giovanni Rupp, Stephan Vanecek und Michael Hiller (v.l.) im Stück "Putsch" am Theater Trier.
Die Koalitionsverhandlungen zwischen Konservativen und Rechtsextremen im Stück laufen aus der Bahn – mit fatalen Folgen für die Demokratie.

Auf der Bühne wird der Wille zur Einigung unter den demokratischen Parteien als hohes Gut beschworen. Denn wenn diese nicht mehr kompromissfähig sind, könnte es so kommen wie in „Putsch“: Eine extreme Partei gewinnt immer mehr Macht – und die Demokratie steht vor dem Aus. Das Theaterstück hält zumindest noch eine überraschende Wende bereit.

Es gibt bereits Interesse von anderen deutschsprachigen Theatern, das Stück ebenfalls auf die Bühne zu bringen. Auch eine englische Fassung wollen Alistair Beaton und Dietmar Jacob jetzt schreiben. „Putsch“ trifft offenbar einen Nerv.

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