„Le Roi Carotte“ ist eine fantastische Politsatire über ein belebtes Wurzelgemüse, das als rote Rübe ein Tyrannenregime errichtet gegen den legitimen, aber Pleite gegangen Erbprinzen Fridolin. Am Theater Freiburg führte Tilmann Knabe Regie bei dieser Neuentdeckung.
In der Falle des Zeigefinger-Theaters
In Jacques Offenbachs Operette „Le Roi Carotte“ wird durch Hexerei ein orangefarbenes Wurzelgemüse zum Tyrannen im Märchenreich Krokodyne. Wer denkt dabei nicht reflexartig an den neugewählten amerikanischen Präsidenten, dessen Haut eine ähnliche Farbgebung aufweist?
Es ist leicht in diese Falle eines Zeigefinger-Theaters zu geraten. Und Regisseur Tilmann Knabe lässt mit seiner Inszenierung am Theater Freiburg die Falle zuschnappen.
König Karotte trägt eine überbreite rote Krawatte und hantiert bei seinem Amtsantritt wild fuchtelnd mit einer Kettensäge, greift den Damen ungeniert an die Brüste und lässt seinen vergnügungssüchtigen, aber bankrotten Gegenspieler Fridolin wie einen idiotischen Tropf aussehen.

Vollgestopft mit zeitkritischem Diskurs
Offenbachs „Le Roi Carotte“ ist eine späte Feen- und Märchenoperette. Die politische Farce ist eine surrealistische Tour de Force, deren Handlung kaum nacherzählbar ist.
Die Reise zur Rückeroberung des Throns und Vertreibung des populistischen Gemüseautokraten geht durch alte Schlösser voll geisterhaft belebter Rüstungen, zu einem Magier und ins antike Pompeji, um einen magischen Ring zu gewinnen. Schließlich landet man in einem Urwald bei kolonisierten Insekten, bevor es heim ins Reich zur Revolution geht: ein Panorama des 19. Jahrhunderts.

Als ob das alles nicht schon genug sei, stopft Tilman Knabe in diese Wundertüte noch das Empörende unserer Tage hinein: Postkolonialismus, Rassismus, Kinderarbeit und Klimakrise. Damit wird auch jedem klar: Hier steckt zeitkritischer Diskurs in einer Operette aus dem Zeitalter des gefallenen französischen Kaiserreichs.
Aufführung schleppt sich dahin
Der lange Abend wird überlang und auch langweilig. Denn Tilman Knabe rüstet die surreale Zauberposse gewaltig zu einem Polittheater ab. Satirisch ist das nicht. Und so schleppt sich die Aufführung in der Scheußlichkeit einer Prekariatskulisse von Wilfried Buchholz mit grauen Mauern, Plastikstreifenvorhängen, Bretterbuden und Glühbirnen dahin.

Der beim Tanz stolpernde Fridolin wird bei Offenbach selbstironisch ermahnt: „Hoheit, dieser Takt ist sehr vertrackt.“ Genau das hätte sich auch die Regie zu Herzen nehmen sollen und unterschätzt die politische Farce dieses magischen Kasperletheaters.
Musikalische Umsetzung mit Schwächen
Aber auch musikalisch gerät hier einiges aus dem Takt. Die für den verbalen wie musikalischen Sarkasmus so wichtige Textverständlichkeit: Fehlanzeige – und das auch größtenteils bei den gesprochenen Dialogen.
Und es klappert gewaltig zwischen Graben und Bühne. Johannes Knapp bemüht sich vergeblich am Pult des durchaus elegant spielenden philharmonischen Orchesters. Eine spritzige Opernparodie ist das nicht.
Roberto Gionfriddo als Fridolin ist stimmlich und darstellerisch eigentlich eine perfekte Besetzung für diese chaplineske Groteske, wird aber von der Regie gezügelt.
Das Schwere wird zu leicht genommen
Eine großartige Offenbach-Sängerin mit fabelhaften Koloraturen ist eigentlich nur Sara de Franco als verzauberte, um Fridolin kämpfende Rosée-du-Soir Roland. Ansonsten muss hier leider von den leidigen Offenbach-Schändungen gesprochen werden, mit der das Schwere zu leicht genommen wird.

Die Freiburger Aufführung ist nicht die Rehabilitation einer vernachlässigten Schönen. Damit zeigt sich aber auch die Inhomogenität der durchaus vorhandenen musikalischen Qualitäten dieser Zauberoperette. Stattdessen ein belehrender, an politische Korrektheit verschenkter Abend.
Mehr zum Theater Freiburg
Frei nach Mary Shelleys Frankenstein „Wollstonecraft“ – dystopische, feministische Gothic-Komödie von Sarah Berthiaume in Freiburg
In „Wollstonecraft“, frei nach Mary Shelley und deren Frankenstein, loten die frankokanadische Dramatikerin Sarah Berthiaume und die italienische Regisseurin Camilla Dania die Abgründe von Schöpfung und Fortpflanzung aus - in einer dystopischen, feministischen Gothic-Komödie.
Theater Freiburg „Die Erwartung“ von Theresia Walser – Wie verhalten wir uns angesichts der Klimakatastrophe?
Theresia Walsers Stück „Die Erwartung“ fragt, wie wir uns im Angesicht von Klimakatastrophe, Krisen und Kriegen verhalten. Ihr Fazit: Außer Panik, Egoismus und Hilflosigkeit ist da nicht viel. Schade, dass Text und Inszenierung außer einer Farce nicht mehr aus der Versuchsanordnung machen.