Pünktlich zum Frühling präsentiert der Heidelberger Stückemarkt wieder ein Auswahl internationaler avantgardistischer Theaterkunst. Im Zentrum des Festivals steht in diesem Jahr das Gastland China, dessen vielfältige und oft unbekannte Theaterszene mit besonderer Aufmerksamkeit präsentiert wird.
Neben den internationalen Gastspielen und Uraufführungen bietet der Wettbewerb um den mit 10.000 Euro dotierten Preis jungen und etablierten Autorinnen und Autoren eine Plattform für ihre Texte.

Gastland China: Theater als Spiegel der Gesellschaft
„Das Gastland China stellt eine ganz andere Theaterrealität vor, die hierzulande wenig bekannt ist. Der Austausch mit dieser Theatertradition ist für uns eine große Bereicherung“, erklärt Jürgen Popig, der künstlerische Leiter des Stückemarkts. Dem entsprechend wird in Heidelberg in diesem Jahr ein breites Spektrum chinesischer Theaterproduktionen gezeigt.
Aufgegriffen werden dabei Themen wie Gesellschaftskritik, persönliche Geschichten und politische Strukturen. Ein besonderes Highlight ist laut Popig die Uraufführung des Dramenprojekts „Ein gutes Jahr“ von Xu Hongchang, das die Schwierigkeiten einer ländlichen Familie im ländlichen China behandelt.
Doch nicht nur klassische und moderne Stücke werden präsentiert – auch experimentelle Formate finden ihren Platz:
China hat ein sehr lebendiges Theater, das oft mit direkter politischer Auseinandersetzung konfrontiert ist, was hierzulande selten in diesem Ausmaß zu finden ist.

Wettbewerb: Sechs neue Theatertexte im Rennen
Neben dem internationalen Fokus steht der Wettbewerb des Stückemarkts weiterhin im Zentrum des Festivals. Aus über 100 eingereichten Texten wurden sechs ausgewählt, die sich um den Preis von 10.000 Euro bewerben. Popig erklärt, dass seine Hauptaufgabe darin besteht, „Texte zu finden, die nach der Bühne schreien.“
Die eingereichten Stücke beschäftigen sich mit brisanten Themen der Gegenwart – so etwa das Krankenhausdrama „OTA“ von Lisa Danulat, das einen fast dokumentarischen Einblick in den Alltag einer operationstechnischen Assistentin gewährt. Generell seien in diesem Jahr viele Stücke eingereicht worden, die sich mit Krankheit und Depression auseinandersetzen. Popig versteht das das als eine Art „Post-Corona-Effekt“ .
Doch auch die politische Dimension fordert ihren Raum: In „Fußnoten aus dem späten 21. Jahrhundert“ von Svea Lena Kutschke wird die zunehmende Absurdität des Büroalltags inmitten einer Klimakatastrophe thematisiert.
Es sind die Alltagsgeschichten, die in dieser Zeit eine große Resonanz finden – mit einem kritischen Blick auf die Welt.
Theater als Verhandlungsort für Demokratie
„Theater muss ein Verhandlungsort für demokratische Werte bleiben. Das ist die zentrale Aufgabe, die uns in den kommenden Jahren beschäftigen wird“ - davon ist Popig überzeugt. Der Heidelberger Stückemarkt versteht sich in dieser Hinsicht als Plattform für die Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftlichen Themen, sowohl aus einer deutschen als auch einer internationalen Perspektive.
„Der Austausch mit einer so unterschiedlichen Kultur wie China erweitert unseren Horizont und fordert uns heraus, Theater aus einer anderen Perspektive zu betrachten“, so Popig weiter. Die Frage, wie politisches Theater heute funktioniert, wird auch durch die Teilnahme von chinesischen Theatermacherinnen und verstärkt, die in ihren Arbeiten regelmäßig die staatlichen Grenzen der Meinungsfreiheit thematisieren.

Nachwuchsförderung ohne Altersgrenze
Der Heidelberger Stückemarkt hat sich auch als Förderer junger und neuer Stimmen im Theater etabliert. Popig erklärt, dass die Altersgrenze für den Wettbewerb mittlerweile aufgehoben wurde: „Es geht nicht mehr darum, ob man jung ist oder nicht. Entscheidend ist, dass die Texte die Bühne erobern wollen.“
Ein Blick auf die Zukunft des Theaters
Mit der Präsentation chinesischer Theaterstücke und dem Fokus auf aktuelle gesellschaftliche Themen setzt der Heidelberger Stückemarkt ein starkes Zeichen für die Relevanz des Theaters als Spiegel der Gesellschaft. Jürgen Popig bringt es auf den Punkt: „Theater bleibt ein Ort, an dem wir uns mit der Gegenwart auseinandersetzen und über die Zukunft nachdenken müssen.“