Patriotismus und Heldenkult statt Kritik und Vielfalt

100 Tage Präsident: Wie Trump die Kultur vor seinen Karren spannt

Stand

Von Autor/in Ines Kunze

Hundert Tage ist US-Präsident Trump im Amt. Schon am ersten Tag hat er angefangen, die Kulturszene nach seinen Vorstellungen umzuformen: Weg mit Diversität und Wokeness, her mit Patriotismus und Heldenkult, ganz im Sinne der „Make America Great again“-Bewegung.

Der US-Präsident möchte die US-amerikanische Kulturszene radikal verändern. Dass er es damit ernst meint, hat er direkt am ersten Tag gezeigt, als er die Aufsichtsrat-Leitung des renommierten Kennedy Centers in Washington kurzerhand an sich selbst übertrug. Kurz darauf flogen die ersten Stücke aus dem Programm.

„Er versucht, alles zu konzentrieren, und auch bis hin zum Wording, also bis hin zur Philosophie, an das Weiße Haus zu binden.“

Kennedy Center
Alter Aufsichtsrat raus, neuer rein: Eine der größten Kulturinstitionen der USA, das „Kennedy Center for the Performing Arts“, steht jetzt unter Trumps Kontrolle.

In den USA tobt seit Jahren ein Kulturkampf um die Deutungshoheit

Arthur Landwehr war jahrelang ARD-Korrespondent in den USA und beobachtet die Entwicklungen weiterhin kritisch. Trump, so Landwehr, knüpfe an den Kulturkampf an, der seit Jahren in den Vereinigten Staaten tobt. Ein Kampf, bei dem es um die Frage gehe, welches Amerika das wahre sei: Der urbane, moderne Staat, der die Unterrepräsentierten fördert, um Gerechtigkeit zu schaffen? Oder das traditionelle Bild, das auf den Freiheiten des Individuums beruht, ohne dass der Staat eingreift?

„[Trump] hat entschieden, dass das neue Amerika oder das Bild eines neuen Amerika das „gute alte“ ist.

Förderung entzogen, Dokumente gelöscht

Das Ergebnis: Programme, die für mehr Diversität und Inklusion sorgen sollten, wurden gestrichen, Förderungen entzogen. Teile der US-amerikanischen Geschichte, die nicht in Trumps Weltbild passen, sollen verschwinden: So lässt Trump gerade massenhaft historische Dokumente vernichten, etwa Bilder des US-Militärs, die Frauen oder queere Menschen zeigen.  

Ramstein-Miesenbach

Nach Ankündigungen zur Veränderung der amerikanischen Geschichte Docu Center Ramstein sichert Fotos vor Trump

US-Präsident Trump lässt Bilder von den Internetseiten der US-Streitkräfte löschen, die ihm missfallen - schon mehr als 20.000. Das Docu Center Ramstein hält dagegen.

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Stattdessen sucht Trump gerade nach Künstler*innen, die Skulpturen für einen „Garten der Nationalhelden“ schaffen sollen. 200 000 US-Dollar sind laut der staatlichen Website pro Skulptur ausgeschrieben. Auf der Liste der Helden stehen Ex-Präsidenten wie Ronald Reagan und John F. Kennedy, aber auch etwa der verstorbene Basketballstar Kobe Bryant.

Heldenpathos und Patriotismus

Dass Trump Heldenpathos in der Kunst mag, zeigt sich auch an seinen Reaktionen auf eigene Porträts : Eines, das die britische Künstlerin Sarah Boardman von ihm angefertigt hatte, beschimpfte er, ließ es abhängen und griff die Künstlerin auch persönlich an. Ein anderes, das ein Geschenk von Russlands Präsident Putin war und ihn in Heldenpose zeigt, soll ihn dagegen tief berührt haben.

Portrait Trump
Hat ihm nicht gefallen: Dieses Porträt hing jahrelang im Kapitol des Bundesstaats Colorado und wurde jetzt auf Trumps Wunsch entfernt.

Nur wenig Proteste in den USA

Trumps Kultur-Politik sorgt weltweit für Empörung – innerhalb der USA ist der Widerstand aber vergleichsweise klein. Der große Aufschrei bleibt aus.  Zwar gab es Proteste der akademischen, intellektuellen Szene. Das sei aber laut Landwehr eine Minderheit. Landwehr sieht das auch in den Strukturen der Kultur in den USA begründet.

„Man darf es ja nicht vergleichen mit der Förderung von Theater oder so bei uns. Der Staat spielt in den USA, was die Kultur angeht, kaum eine Rolle.“

Empörung über Trumps Maßnahmen – eine Frage der Perspektive

Im Gegenteil: Viele derer, die Trump gewählt haben, freuen sich über den Wandel – nicht unbedingt im Sinne der Hochkultur, aber im Sinne des allgemeinen Stimmungswandels. Viele, die sich vorher aufgrund von Diversitäts-Maßnahmen benachteiligt gefühlt hätten, seien begeistert von deren Abschaffung.

„Die einen würden sagen, das Freie, Experimentelle, das Kritische, Gesellschaftskritische wird verbannt. Die Position der anderen ist: Endlich haben wir wieder eine Kultur, die sich auf den Bedürfnissen der Menschen und auf der Lebenswirklichkeit der Menschen basiert.“

Es sei eben eine Frage der Perspektive – antidemokratisch sei Trumps Handeln sicherlich. Aber: „Ganz, ganz viele Leute“ empfänden es als große Befreiung.

Forum Chaos mit Plan? – 100 Tage Trump

Claus Heinrich diskutiert mit
Ralf Borchard, ARD-Studio Washington
Kerstin Kohlenberg, Redakteurin DIE ZEIT
Prof. Dr. Michael Werz, Politikwissenschaftler, Georgetown University, Washington D.C.

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