Nach dem Blick zurück ein Blick gen Osten. "Meine Muttersprache ist Bartók" sagte der ungarische Komponist und heutige Dirigent Péter Eötvös. Damit bekennt er sich zu einer naturwüchsigen, ganz ungekünstelten Kraft der Musik, die im Violinkonzert DoReMi zum Ausdruck kommt. Der Titel erklärt sich durchs Italienische. Do, Re und Mi sind dort die Bezeichnungen für die ersten drei Töne C, D und E. "Do Re Mi bedeutet den Anfang von Musik", erklärt Eötvös, "…es ist wie 1, 2, 3 in der Welt der Zahlen."
Gleich zu Beginn stellen die Triangel die Töne vor. Es geschieht nicht in aufsteigender Form, sondern in der Reihenfolge Mi-Do-Re, was als augenzwinkernder Verweis auf die japanische Geigerin Midori dient, die das Konzert bei Eötvös in Auftrag gegeben hatte und 2013 in Los Angeles uraufführte. Midori konnte ihrem Instrument viele Seiten abgewinnen. Virtuosität zählt zum festen Bestandteil des Konzerts – sowohl in intonatorischer wie motorischer Hinsicht. Vor allem im zweiten Satz spielt das dynamische-motorische eine dominante Rolle. Sehr farblich gestaltet Eötvös diesen Satz, der von rasanten Dialogen zwischen Solist und Orchester lebt.
Der zweite Satz schaut auch in andere Hinsicht "hin und her", wie Péter Eötvös schrieb. Do-Re-Mi ist für ihn nicht nur eine bloße Tonfolge. Vielmehr sind die Töne aufgeladen mit Bedeutungen. Durch die Lektüre des Bartók-Forschers Ernö Lendvai wurde Eötvös darauf aufmerksam, dass Phrasen und Melodien der westlichen Musik meist auf dem Grundton (Do) enden, während die Kantilenen der oft pentatonischen östlichen und osteuropäischen Musik (somit auch die des von ihnen beeinflussten Belá Bartók) meist auf der Terz über dem Grundton, also dem Mi enden. Eötvös spielt mit dem Befund. Dem ersten Satz weist er die westliche Sphäre zu, während der dritte die östliche Klangwelt reflektiert.
Aus dem Programmheft, Autor: Torsten Möller