Schwerpunkt Bruckners Sinfonien

Bruckner 7: Bahnbrechend!

STAND

Nach einigen eher schwierigen Geburten wurde Anton Bruckners siebte Sinfonie von Beginn an gefeiert und ist bis heute eine seiner beliebtesten Sinfonien. Auch für den Komponisten selbst hatte sie eine besondere Bedeutung: Ursprünglich gar nicht geplant, setzte der Komponist in diesem Stück erstmalig die Wagnertuba ein und brachte damit eine neue Klangfarbe in das Orchester. Der Solohornist Wolfgang Wipfler stellt das Instrument vor, spricht mit uns über sein Verhältnis zu Ordnung und Chaos und erzählt, welche Rolle dabei seine Modelleisenbahn für ihn spielt. Es ist die Leidenschaft für ein Beförderungsmittel, das auch für Bruckner nicht unwichtig war.

Eingeübt: Bruckners Siebte mit Wolfgang Wipfler

Neue Bahnen

Die industrielle Revolution zu Beginn des 19. Jahrhunderts bringt das Leben der Menschen durcheinander und sortiert es neu: Viele Arbeitsplätze ziehen die Bevölkerung in stark wachsende Städte, wirtschaftliche Ballungsräume entstehen. Und die Revolution hat ein stählernes Gesicht: Die Eisenbahn. Diese Maschine kommt nicht hinter großen Fabriktoren zum Einsatz, sondern tritt für jeden ersichtlich ihren Dienst an. Mit dem Ausbau des Schienennetzes etabliert sich eine neue Infrastruktur, und die Eisenbahn entwickelt sich schnell zum Beförderungsmittel Nummer eins. Im Laufe der folgenden Jahrzehnte wird sie ein Teil, wenn nicht sogar die Grundlage des alltäglichen Lebens für viele Unternehmen und Privatpersonen. Von Dienstreisen über Umzüge bis hin zu Urlaubsreisen sammeln sich in den Wagons die unterschiedlichsten Fahrgäste.

Reisemuffel Bruckner

Auch der österreichische Komponist Anton Bruckner bevorzugt beim Reisen die Eisenbahn. Um seine wenigen Reisen stilvoll durchführen zu können, legt er sich eine Reisekappe zu. Anfänglich noch selten im Einsatz, entwickelt sich die Kappe aus schwarzer Wolle zu einem treuen Begleiter. In Bruckners Briefen zeigt sich, dass er meist allein reiste. Auch der schöne Ausblick scheint ihn dabei nicht sonderlich zu interessieren: Häufig bucht er für lange Strecken einen Nachtzug. Doch die Zahl seiner Reisen bleibt überschaubar. Von 30 dokumentierten Reisen führen zehn davon nach Bayreuth – um Wagneropern zu hören. Fünf Mal ist sein Ziel München, nur zwei Mal reist er als Orgelvirtuose ins nichtdeutschsprachige Ausland nach England und Frankreich. 1880 unternimmt er eine Urlaubsreise. Sie führt ihn in die Schweiz; wiederholen wird er eine solche Reise später allerdings nicht mehr. Kurzum: Bruckner ist ein Reisemuffel.

Unterwegs zum internationalen Erfolg

Das ändert sich mit seiner siebten Sinfonie. Für kein anderes seiner Werke reist er so viel wie für dieses: Die Uraufführung findet in Leipzig statt, für die er als Organist bei der Wiener Hofmusikkapelle extra Urlaub beantragt. Obwohl er bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Leipzig war, kennt er befreundete Musiker, die sich in der Stadt niedergelassen haben, und verknüpft seinen Aufenthalt mit einigen Besuchen. Wegen des Erfolgs der Sinfonie wird er zu weiteren Aufführungen nach München, Bratislava und Berlin eingeladen, was er dankend annimmt.

Anton Bruckner Animation (Foto: SWR, SWR - Mareike Baumeister)
"Die Ordnung ist die Lust der Vernunft, aber die Unordnung ist die Wonne der Phantasie." (Paul Claudel)

Alles in Ordnung, Herr Bruckner?

1886 ereignet sich allerdings ein Vorfall, der Bruckner aus dem Gleichgewicht bringt. Auf dem Rückweg von Bayreuth nach Wien sitzt ein Leutnant mit ihm im Abteil. Dieser schreckt aus dem Schlaf hoch, als er bemerkt, dass man gerade in den Bahnhof einfährt, an dem er aussteigen muss. Hastig greift er sein Gepäck und eilt aus dem Zug. Erst als der Bahnhof schon weit hinter ihm liegt, sucht Bruckner seine Winterreisekappe und muss feststellen, dass sie vermutlich in das Gepäck des Leutnants gerutscht sein muss. Das nimmt ihn so mit, dass er der Eisenbahngesellschaft nach seiner Ankunft in Wien einen Brief schreibt und darum bittet, die Kappe doch ausfindig zu machen und ihm zurückzuschicken. Doch damit nicht genug: Bruckner hängt so sehr an seinem treuen Reisebegleiter, dass er zudem zwei Freunde bittet, bei der Eisenbahngesellschaft nachzufragen, ob die Kappe denn zu finden sei. Ob die großangelegte Suchaktion aber erfolgreich war, wissen wir heute leider nicht.

STAND
AUTOR/IN
SWR