Martin Rupps (Foto: SWR, SWR/Kristina Schäfer)

Zusatznamen für 19 baden-württembergische Orte

Meinung: Gaildorf, die größte Kneipe im Land

Stand
AUTOR/IN
Martin Rupps
Martin Rupps (Foto: SWR, SWR/Kristina Schäfer)

Seit Monatsanfang tragen 19 weitere Gemeinden in Baden-Württemberg Beinamen. Das Innenministerium verkauft das als Erfolgsmeldung und schummelt dabei, meint Martin Rupps.

Der Oktober brachte neue Corona-Regeln und die Energiekostenpauschale, aber am allerwichtigsten: 19 weitere Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg tragen jetzt Beinamen. Erlaubt hat sie Innenminister Thomas Strobl (CDU), um – wie es auf der Ministeriums-Website heißt – "die Identität und das Zusammengehörigkeitsgefühl vor Ort" zu stärken. Die Wahl der neuen Zusatzbezeichnungen sei "recht bunt" – ich nenne sie beliebig, sprich überflüssig. Bei einigen handelt es sich gar um Etikettenschwindel.

Dass sich Jagsthausen (Kreis Heilbronn) zusätzlich "Heimat Götz von Berlichingens" nennen darf oder Triberg im Schwarzwald (Schwarzwald-Baar-Kreis) "Wasserfallstadt", kann ich noch nachvollziehen. Als Vorbild mag die "Lutherstadt Wittenberg" gedient haben. Aber dass Künzelsau (Hohenlohekreis) eine „Hochschulstadt“ ist und jetzt auch so heißt, macht sie zu keiner besonderen. Die Bezeichnung "Weinbaugemeinde" für Bötzingen (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald) erscheint mir so trivial, als wenn sich ein Esel den Zusatz "vierbeinig" gibt.

Die "Erholungsorte" Daisendorf und Owingen (beide im Bodenseekreis) oder der „Luftkurort“ Tuttlingen-Möhringen sind für mich Etikettenschwindel des Ministeriums. Für diese Bezeichnungen gibt es schon sehr lange klare Kriterien, die mit der von Thomas Strobl geänderten Gemeindeordnung, sprich der Möglichkeit von neuen Zusatznamen, nichts zu tun haben. Ins Absurde schlägt die Eigenreklame bei der "Schenkenstadt" Gaildorf (Kreis Schwäbisch Hall). Nicht-Ortskundige verbinden damit keine schwäbisch-fränkische Adelsfamilie, sondern eine Kneipenmeile. Neidenstein (Rhein-Neckar-Kreis) nennt sich jetzt "Burgdorf" wegen der Burg über dem Ort. Die Menschen der Stadt Burgdorf in Niedersachsen werden es ihnen ganz bestimmt danken und als zahlende Touristen kommen!

Mehr Meinungen im SWR

„Ampel“ diskutiert über Abtreibungs-Paragraf Meinung: Ein historisches Verdienst der „Ampel“

Mutige Gesellschaftspolitik geht seit 50 Jahren von SPD-Kanzlern bzw. -Vizekanzlern aus, meint Martin Rupps. Er attestiert sie auch der Ampelkoalition.