Natriumhydrogencarbonat, wie der Stoff im Fachbegriff heißt, gilt in der Landwirtschaft und vor allem im Weinbau als preiswertes Mittel gegen den Echten Mehltau - es ist harmlos für die Umwelt, einfach im Umgang und wirkungsvoll.
Winzer haben mit Backpulver bisher erfolgreich einen Pilz bekämpft
Deswegen durfte es im Weinbau bisher auch europaweit verwendet werden. Es hatte eine reguläre Zulassung als sogenannter "Grundstoff".
So werden Stoffe bezeichnet, die nicht in erster Linie für den Pflanzenschutz verwendet werden, aber dennoch für den Pflanzenschutz von Nutzen sind.
Zulassung für neues Pflanzenschutzmittel - Winzer müssen es nutzen
Jetzt hat ein Unternehmen aus Baden-Württemberg aber für Deutschland und Österreich eine Zulassung für ein Pflanzenschutzmittel bekommen, das fast vollständig aus Backpulver besteht. Und das EU-Recht sieht eindeutig vor: Ein Stoff kann nicht gleichzeitig Grundstoff und Pflanzenschutzmittel sein.
In diesem Fall wird die Zulassung als Grundstoff zurückgenommen. Und genau dieser Fall ist beim Backpulver nun eingetreten.
Das bedeutet für die Winzer: Sie dürfen kein handelsübliches Backpulver mehr verwenden, das sie beim Bäckerei-Zulieferer oder im Landhandel gekauft haben. Sondern sie müssen auf das Pflanzenschutzmittel umsteigen, das deutlich teurer ist.

Winzer sind verärgert über Änderung und Mehrkosten
Auf alle Betriebe, die den Wirkstoff Natriumhydrogencarbonat weiter gegen den Echten Mehltau einsetzen möchten, kommen jetzt Mehrkosten zu. Der Verein "Land schafft Verbindung Rheinland-Pfalz" spricht von einem mehr als sechsfachen Preisanstieg.
Winzer Simon Beiser aus Vendersheim im Landkreis Alzey-Worms geht für seinen Betrieb von zusätzlichen Kosten von 5.000 Euro im Vergleich zum Vorjahr aus. Auch Winzer Stefan Huschle aus Offenburg in der Ortenau empfindet die Neuerung als sehr ärgerlich und nicht nachvollziehbar.
Unternehmen "Biofa" bekommt Unmut der Winzerschaft zu spüren
Das Unternehmen "Biofa" aus Münsingen in Baden-Württemberg hat die Zulassung für das Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Hydrogencarbonat bekommen. Es vertreibt das Mittel unter dem Namen "Natrisan".
Nach Protesten und Boykott-Drohungen hat Biofa auf seiner Homepage eine dreiseitige Stellungnahme veröffentlicht, in dem der Vorwurf der Profitgier zurückgewiesen wird. Hier heißt es unter anderem, Biofa verfolge keinerlei Absicht, Winzern wirtschaftlich zu schaden.
Stattdessen sieht sich das Unternehmen selbst ungerecht behandelt, wie der Geschäftsführer im Gespräch mit dem SWR sagt - und zwar von der EU-Kommission. Diese habe Backpulver einst überhaupt nur deshalb als Grundstoff zulassen können, weil sie - aus Sicht des Unternehmens - unrechtmäßig auf frühere Studiendaten von Biofa zurückgegriffen habe, ohne das Unternehmen dafür zu bezahlen.
Die EU-Kommission selbst habe das Unternehmen dann aufgefordert, die Zulassung von Natriumhydrogencarbonat als Pflanzenschutzmittel zu beantragen.
Deutscher Weinbauverband bedauert die Situation
Der Deutsche Weinbauverband sagt zu dem Fall, man könne einem Unternehmen, das ein Pflanzenschutzmittel entwickelt, nicht vorwerfen, dass es ein Interesse hat, mit diesem auch einen Gewinn zu erzielen. Dass dies zu Lasten der Betriebe im Verband erfolge, sei eine bedauerliche Möglichkeit, die das nationale Recht in Verbindung mit dem EU-Recht biete.
Doch bei allen Zuständigkeitsfragen: Die Winzerinnen und Winzern spüren vor allem, dass sie nun höhere Kosten haben. Für Stefan Huschle wäre es optimal, wenn der bisherige Ist-Zustand wieder hergestellt würde: eine Zulassung für Natriumhydrogencarbonat als Grundstoff.
Auch der Verein "Land schafft Verbindung Rheinland-Pfalz" fordert, die Bundesregierung solle sich dafür einsetzen.
Winzer werden Pflanzenschutzmittel verwenden müssen
Doch vorerst wird sich an der Situation wohl nichts ändern. Denn allen Beteiligten ist klar: Rechtlich gibt es an der Entscheidung nichts zu rütteln.
Der Deutsche Weinbauverband spricht von einer "rechtlich eindeutigen Situation". Und er räumt ein: Nach seiner bisherigen Analyse gibt es für diesen Zwiespalt derzeit leider keine kurzfristige und politische Lösung.