Die Gehaltsabrechnung mit allen Abzügen sieht nicht jeder Arbeitnehmer gern. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / dpa | Jens Büttner)

Inflationsausgleich in Tarifverhandlungen

Lohnerhöhungen von 10 Prozent - gerechtfertigt oder gefährlich?

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Michael Wegmer
SWR-Wirtschaftsredakteur Michael Wegmer (Foto: SWR, Michael Wegmer)
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Jutta Kaiser
Bild von Jutta Kaiser aus der SWR-Wirtschaftsredaktion.  (Foto: SWR, Andrea Schombara)

Die Inflation ist so hoch wie lange nicht mehr, und auch Unternehmen leiden unter gestiegenen Kosten. Was für und was gegen hohe Lohnforderungen spricht.

Die Gewerkschaft Ver.di und der Beamtenbund dbb fordern 10,5 Prozent mehr Einkommen für die Beschäftigten des Bundes und der Kommunen. Und die IG Metall fordert ein Lohnplus von acht Prozent. Forderungen in einer Höhe, die noch vor Kurzem undenkbar gewesen wären. Die Arbeitgeber der Metall- und Elektroindustrie hatten zuletzt davon gesprochen, der Spielraum für eine Erhöhung der Tabellenentgelte liege "eigentlich bei null".

"Hohe Lohnforderungen und -erhöhungen sind gerechtfertigt"

SWR-Wirtschaftsredakteur Michael Wegmer fasst seine Meinung so zusammen:

"Neulich habe ich eine schöne Karikatur gesehen. In guten Zeiten ruft der Firmenchef seine Anwälte an und sagt: 'Findet Steuerschlupflöcher. Wir schmeißen dem Staat doch nicht unsere Gewinne in den Rachen.' In schlechten Zeiten ruft der Firmenchef seine Anwälte an und sagt: 'Beantragt Staatshilfe.' Ja, ich weiß, Karikatur, übertrieben und so. Aber mein Grundgefühl trifft dieser Witz ganz gut.

Für viele Unternehmen ist nie die richtige Zeit, um fette Lohnerhöhungen zu beschließen. Entweder müssen Gewinne reinvestiert oder gespart werden, oder der Untergang steht kurz bevor und der Standort Deutschland ist gefährdet. Die Autoindustrie macht Milliardengewinne, in den aktuellen Metall-Tarifverhandlungen warnen die Arbeitgeber aber schon wieder vor der nächsten Talfahrt.

Sogar die 10,5 Prozent im Öffentlichen Dienst kann ich verstehen. Bund und Länder haben inzwischen wahrscheinlich Billionen rausgehauen, für Coronahilfen, mäßig erfolgreiche Tankrabatte oder, um Unternehmen Kurzarbeit zu finanzieren. Um zum Beispiel die Bundespolizei deutlich besser zu bezahlen, ist aber kein Geld da. Deshalb gehört in diesem Herbst meine Sympathie den Gewerkschaften. Denn wenn überall für alles Geld da ist, dann bitte auch für vernünftige Gehaltserhöhungen."

"Bei drohender Rezession ist Bescheidenheit angesagt"

Stephanie Geißler aus der SWR-Wirtschaftsredaktion hält dagegen:

"Keine Frage, die IG Metall steht mit dem Rücken zur Wand: Als Mitglied einer Gewerkschaft hat man nämlich wenigstens mal ein Minimalziel und das ist: Am Ende auf keinen Fall weniger Geld in der Tasche haben, also Reallohn-Verlust vermeiden. So Pi mal Daumen würden also die geforderten acht Prozent die derzeitige Teuerungsrate wettmachen, die Mitarbeiter der Metall- und Elektrobranche bekämen gestiegene Preise für Butter, Restaurantbesuche und Benzin kompensiert - Minimalziel erreicht.

Tatsächlich muss sich die Gewerkschaft an der Stelle aber ehrlich machen: Seit Montag steht mehr oder weniger fest, dass die Bundesregierung durch üppige finanzpolitische Maßnahmen Geld mit der Gießkanne verteilt - die Abschlagsrechnung im Dezember übernimmt der Staat, ab nächstem Jahr wird die Gasrechnung gedeckelt und zwar für alle. Außerdem darf mit dem letzten Entlastungspaket jedes Unternehmen 3.000 Euro steuerfrei an seine Mitarbeiter zahlen. Das ist astreine staatliche Inflationskompensation und sicherlich auch eine Botschaft aus Berlin an die Gewerkschaften: Haltet euch zurück, wir kümmern uns!

Bereits im Sommer hatte die IG Metall das Ende der Bescheidenheit ausgerufen - doch leider, so unattraktiv diese Haltung auch sein mag in einer Gesellschaft, die lange aus den Vollen geschöpft hat, ist Bescheidenheit im Angesicht einer drohenden Rezession gerade angebracht."

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