Die AfD macht wieder einmal alles anders. Erst stand die AfD lange ohne Spitzenkandidaten für die Landtagswahl da, dann gleich mit zweien: Fraktionschef Bernd Gögel und sein Stellvertreter Emil Sänze sollten die "Alternative für Deutschland" zunächst gemeinsam zum zweiten Mal in den Landtag in Stuttgart führen. Doch die Lösung eines Spitzen-Duos, das die unterschiedlichen Lager der tief gespaltenen Partei repräsentieren sollte, fiel bei der eigenen Anhängerschaft durch. Nach weiteren Online-Wahlgängen wurde Bernd Gögel Ende Januar schließlich zum alleinigen Spitzenkandidaten gewählt, obwohl er noch im Sommer das Konzept der Spitzenkandidatur grundsätzlich in Frage gestellt hatte.

Der heute 66-jährige Speditionsunternehmer Bernd Gögel, der aus dem Enzkreis stammt, trat 2013 trat in die neu gegründete AfD ein. Bei der Landtagswahl 2016 zog er auf Anhieb in den Landtag ein. Zunächst war Gögel ein unauffälliger Abgeordneter, bevor er 2017 nach Jörg Meuthens Abgang in Richtung Brüssel dessen Nachfolger an der Fraktionsspitze wurde. Gögel war Meuthens Wunschkandidat und gilt als gemäßigter im Vergleich zu den radikalen Kräften in seiner Fraktion.
Denkwürdiger Auftritt auf dem Landesparteitag
Ähnlich wie Meuthen wagte auch Gögel schon die öffentliche Abgrenzung zum ganz rechten Rand: Bei einem denkwürdigen Landesparteitag Anfang 2019 in Heidenheim sprach Meuthen in aufgeheizter Stimmung unter Applaus, aber auch unter lauten Buhrufen und Pfiffen, von "Menschenfeindlichkeit", "Neurosen" und "Radikalen" in der Partei - und Gögel, der auf dem Parteitag zum AfD-Landesvorsitzenden gewählt wurde, von "Intrigen", "Schmierenkomödien" und "Schädlingen".
"Einige Schädlinge haben sich in den Gliederungen der Partei niedergelassen. (...) Dann dürft ihr euch nicht wundern, wenn der Vermieter den Kammerjäger holt."
Gögel wird diese Abgrenzung vom ganz rechten Rand innerparteilich bis heute übelgenommen. Unklar ist, wie sehr dabei auch taktische Gründe eine Rolle gespielt haben, denn schon seit einiger Zeit schwebt die drohende Beobachtung durch den Verfassungsschutz wegen extremistischer Bestrebungen über der AfD.

Dauerrivale Sänze und Rückzug von der Parteispitze
Schon auf dem Landesparteitag in Heidenheim hatte die tief gespaltene AfD ihrem neu gewählten Landesvorsitzenden Gögel ein Korrektiv an die Seite gestellt: Der Stuttgarter Bundestagsabgeordnete Dirk Spaniel kam von noch weiter rechts, mit guten Verbindungen zum inzwischen zumindest offiziell aufgelösten national orientierten "Flügel" um Björn Höcke. Dabei immer im Hintergrund: Emil Sänze, der in Heideheim noch einem gemäßigten Kandidaten für einen der Vize-Posten unterlag. Doch der 70-Jährige, der früher als Betriebswirtschaftler bei Banken arbeitete, gilt als hartnäckig. Im Landtag macht er seit Jahren Gögel das Leben als Fraktionschef schwer. So gab es beispielsweise einen Fraktionsbeschluss, durch den dem Vorsitzenden die Bezüge gekürzt wurden.
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Den Landesparteivorsitz gab Gögel nach einem Jahr andauernder Querelen entnervt auf, doch trotz aller Widerstände hält sich Gögel nach wie vor an der Fraktionsspitze und hat jetzt sogar die Spitzenkandidatur für sich entschieden.
Während radikalere Kräfte aus der Fraktion wie Emil Sänze in Pressemitteilungen mit immer schrilleren Worten die politischen Gegnerinnen und etwa auch (öffentlich-rechtliche) Medien angehen, wandte sich der bürgerlich wirkende Gögel zuletzt nicht mehr so klar gegen rechtsextreme Tendenzen in seiner Partei. Und was die ständigen Provokationen im Landtag betrifft, mit denen die AfD wieder stärker aufgefallen ist, räumte Gögel gegenüber dem SWR freimütig ein, dass taktische Manöver einzelner Abgeordneter legitime Mittel in der politischen Auseinandersetzung seien. Etwa vorgeschobene Geschäftsordnungsanträge, die AfD-Abgeordnete verstärkt nutzen, um an dieser Stelle unerlaubt über inhaltliche Themen zu sprechen.
Gögels politische Zukunft in der AfD ist ungewiss
Wie die künftige Fraktion der AfD im Landtag aussehen wird, auch was das Kräfteverhältnis der unterschiedlichen Strömungen in der AfD betrifft, ist auch aufgrund der Besonderheiten des baden-württembergischen Einstimmen-Wahlrechts und der unübersichtlichen Lage in der AfD noch völlig unklar. Selbst der Wiedereinzug des Fraktionschefs und Spitzenkandidaten Bernd Gögel in den Landtag gilt nicht als gesichert. Denn anders als bei der Bundestagswahl gibt es bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg keine Landesliste der Parteien, durch die Spitzenpolitiker ihr Landtagsmandat quasi sicher haben. Auch Gögel muss in seinem Wahlkreis Enz also ausreichend Stimmen holen, um wieder in den Landtag einzuziehen.