Auch wenn Andreas Stoch gelernter Jurist ist, die Bildungspolitik in Baden-Württemberg beschäftigte ihn schon früh. Als Jugendlicher sei er auf die Straße gegangen, um gegen die "reaktionäre Politik" des damaligen Kultusministers Gerhard Mayer-Vorfelder (CDU) zu protestieren, sagt Stoch heute. In seiner Heimatstadt Heidenheim engagierte er sich auch deshalb früh bei den Jusos. 2001 wurde er Vorsitzender des SPD-Kreisverbands in Heidenheim. Bis Stoch auf die große politische Bühne trat, dauerte es allerdings.

In nur vier Jahren: Vom Nachrücker zum Bildungsminister
Hauptberuflich arbeitete der vierfache Familienvater Stoch lange als selbstständiger Rechtsanwalt in Heidenheim. Erst 2009 rückte er in den Landtag nach, weil der SPD-Abgeordnete aus Stochs Wahlkreis sein Mandat aus privaten Gründen niedergelegt hatte. Und dann ging alles ganz schnell. Stoch machte sich unter anderem als Obmann im EnBW-Untersuchungsausschuss einen Namen. 2011 wurde er parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, zwei Jahre später überraschend Minister für Kultus, Jugend und Sport.

Stoch bezeichnete das Kultusministerium angesichts der vielen verschiedenen Interessengruppen einmal scherzhaft als "heiße Herdplatte“, ging aber sichtbar in seinem Amt auf. Im SPD-internen Streit sprach er sich gegen die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium aus und setzte sich durch. Die ehemalige Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW, Moritz, lobte Stoch als ersten Kultusminister, der wichtige Reformen angepackt habe.
Die mangelhafte Digitalisierung an den Schulen, die Stoch von seinen Vorgängern geerbt hatte, wurde aber auch in seiner Amtszeit nicht entschieden angegangen. Auch fielen Baden-Württembergs Schülerinnen und Schüler während der grün-roten Regierungszeit in der PISA-Studie und anderen vergleichbaren Leistungstests zurück. Stoch hat die politische Verantwortung dafür stets zurückgewiesen.
Wahlschock und Flügelstreit
Seine Zeit als Bildungsminister endete mit der Landtagswahl 2016. Die SPD stürzte ab auf nur noch 12,7 Prozent und verzeichnete das schlechteste Wahlergebnis seit Bestehen des Bundeslandes. Die zerrupfte SPD-Fraktion wählte Stoch zu ihrem neuen Vorsitzenden. Nach dem Aus der grün-roten Landesregierung und dem Verlust der SPD-Ministerien erhielt Stoch damit das wichtigste noch zu vergebende Amt. Weil die größte Oppositionspartei, die AfD, sich kurz nach der Wahl zerstritt und mehrere Abgeordnete die Fraktion verließen, kommt Stoch seitdem auch die Rolle des Oppositionsführers zu.
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2018 eskalierte der seit Jahren schwelende Flügelstreit in der SPD. Die Landesvorsitzende und Parteilinke Leni Breymaier kündigte wegen mangelnden Rückhalts an, nicht mehr zu kandidieren. Stoch trat daraufhin kurzfristig zur Wahl um den Landesvorsitz gegen den Bundestagsabgeordneten Lars Castellucci an und riskierte durchaus seine politische Karriere. In seiner Bewerbungsrede auf dem Parteitag in Sindelfingen gab sich Stoch als Versöhner, der keinem Flügel angehöre und versprach, die "Kultur des Misstrauens" in der Partei zu überwinden. Beobachter sprachen von einer ungewöhnlich leidenschaftlichen Rede von Stoch, der im Landtag, ganz Jurist, vor allem durch scharfe, analytische Angriffe auffällt.

Stoch gewann die Kampfabstimmung gegen Castellucci mit knapper Mehrheit von acht Stimmen und wurde dadurch endgültig zum starken Mann der SPD in Baden-Württemberg.
Danach gelang es Stoch, die Partei vorerst zu befrieden und hinter sich zu versammeln. Auf einem wegen der Corona-Pandemie digital abgehaltenen SPD-Parteitag wurde Stoch im November 2020 mit klarer Mehrheit im Amt bestätigt und auch zum Spitzenkandidaten seiner Partei gewählt.
"Ich bin grundsätzlich ein Mensch, der sich nicht fürchtet, auch nicht vor Herr Kretschmann".
Dass Stoch als Spitzenkandidat einer Zwölf-Prozent-Partei gegen den laut Umfragen beliebtesten Ministerpräsidenten in Deutschland, Winfried Kretschmann, in den Wahlkampf zieht, sorgt ihn nach eigenen Angaben nicht. Das Ziel ist ohnehin eine Neuauflage der grün-roten Koalition. Klar ist aber: Sollte das Wahlergebnis der SPD noch schlechter ausfallen als 2016, vielleicht sogar nur einstellig, droht Hoffnungsträger Stoch und der Landes-SPD schnell neuer Streit um Inhalte und Führungspersonal.