Laura Koppenhöfer (Foto: SWR, SWR/Christian Koch )

"Zwei Minuten": Die Kolumne zum Wochenende

Meinung: Von großen und kleinen Kriegen

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Laura Koppenhöfer
Laura Koppenhöfer, SWR2 Moderatorin (Foto: SWR, Christian Koch)

Krieg, Energiekrise, Rekordinflation: Die Zeiten sind hart. Umso erstaunlicher, dass einige Mitmenschen trotzdem das Bedürfnis haben, Probleme zu erfinden. Wundert sich Laura Koppenhöfer in ihrer Kolumne "Zwei Minuten".

Was war das wieder eine Woche: Kriegstreiber Putin will hunderttausende Reservisten einziehen - gegen die, Zitat, "gesamte Militärmaschine des kollektiven Westens" und garniert das Ganze mit einer erneuten Atombombendrohung. Wirtschaftsminister Habeck verkündet die milliardenschwere Staatsübernahme von Uniper - gegen Blackouts im Winter und garniert das Ganze mit der Gasumlage, die trotz großer rechtlicher Bedenken auf jeden Fall sein muss.

Die Kolumne von Laura Koppenhöfer können Sie hier auch als Audio hören:

Und ob das nicht genug wäre, schreibt uns die Hausverwaltung einen ungehaltenen Brief gegen das Fahrradabstellen im Fahrradkeller und garniert das Ganze mit der Drohung, dass trotzdem im Fahrradkeller vorgefundene Fahrräder, Zitat, "beiseite geräumt werden".

Echte und künstliche Probleme

Wenn Sie jetzt irritiert sind über das scheinbar pietätlose Nebeneinanderstellen von echten Großproblemen aller und überflüssigen Kleinstproblemen einzelner - dann geht’s Ihnen genau wie mir! Ich frage mich in diesen Zeiten noch öfter als eh schon, wie so manche Mitmenschen bei dieser unerschöpflichen Auswahl echter Probleme noch immer das Bedürfnis haben, sich künstlich welche auszudenken?

Herumreiten auf Prinzipien

Beispiel Fahrradkeller: Es gibt in der Wohnanlage genügend Radparkplätze für alle, verteilt auf mehrere Räume. Eigentlich kein Problem! Aber man kann eins draus machen! Dessen Details ich Ihnen ersparen möchte, nur so viel: Es geht ums Herumreiten auf Prinzipien und auf einer ungeschickt formulierten Teilungserklärung und faktisch nicht darum, dass jemand Radparkplätze zu Unrecht beansprucht, die andere zu Recht dringend bräuchten.

Zeit, Nerven und Papier

Und so wie dieses Pseudo-Problem Zeit, Nerven und Papier verschwendet, tun es ja viele andere, teils noch befremdlichere Konflikte (Busch zu hoch, Mauer zu breit, Katze zu dick). Kein neues Phänomen, ich weiß, nicht umsonst gehören Nachbarschaftsstreits zu den am häufigsten vor Gericht verhandelten Fällen. Und darüber konnte man auch schon vor Krieg und Corona den Kopf schütteln. Ist ja nicht so, dass damals immer alles dufte war. Aber gerade jetzt wirkt das Gefälle zwischen echten und gemachten Problemen teils schon grotesk.

Von Kindern kennt man das ja. Alle Eltern haben schon spektakuläre Wutanfälle beobachten dürfen, weil der BLAUE Becher in der Spülmaschine ist und weder der rote, grüne, pinke, weiße oder gelbe Becher diesen Verzicht erträglich machen kann. Oder weil das mütterliche Messer das Brot entzweit hat, was das Kind doch SELBST machen wollte.

Aber Erwachsene? Denen würde ich gerne mal den Reifenhändler vorbeischicken, an dessen Tresen ich mal mitbekam, wie er mit einem hartnäckig unzufriedenen Kunden am Telefon irgendwann rief: Wenn das mein einziges Problem wäre, wäre ich der glücklichste Mensch der Welt!

Dieser Mann dürfte den vielen, die sich derzeit aus verschiedensten Gründen ernsthaft um ihre Zukunft sorgen, aus der Seele sprechen.

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