Zwei Minuten: Die Kolumne zum Wochenende

Meinung: Streik bei der Bahn? Na und!

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Von Autor/in Constance Schirra

Es steht wieder ein Arbeitskampf an, Züge könnten sich verspäten oder ausfallen. Also eigentlich alles wie immer, meint Constance Schirra.

Er ist wieder da. Der Mann mit dem Schnurrbart… nein, doch nicht der, ich meine: Herrn Weselsky, Claus den Lokomotivführer. Es gibt wieder Streiks, sagt er, bereit zum Kampf gegen Frau Mahlzahn in Kummerland. Also gegen die Bahn in Deutschland. Oha… Streiks bei der Bahn, an Weihnachten womöglich. Ich verstehe die Aufregung nicht. Macht es einen Unterschied, ob die Bahn streikt oder nicht? Also jetzt mal nur für Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer?

Die Kolumne von Constance Schirra können Sie hier auch als Audio hören:

Ich nutze die Bahn häufig. Sie bringt mich zum Sohn, zur Mutter, zu Freunden. Ich bringe auch häufig Menschen zum Bahnhof, die die Bahn nutzen. Mit meinem Sohn etwa sitze ich in regelmäßigen Abständen auf einer Bank, Aluminium, drei Sitze, Gleis sieben. Es ist mittlerweile unsere Bank, das entsprechende Namensschild ist gerade in Arbeit. Wir warten dort, auf den Zug. Bei brutzelnder Sonne und prasselndem Regen, wir warten.

Constance Schirra steht im Gang eines SWR-Gebäudes
Die Meinung von Constance Schirra

Zeit genug, um über Kants "Kritik der reinen Vernunft" zu diskutieren, Thomas Manns Tetralogie "Joseph und seine Brüder" zu interpretieren oder - ein Druckhaus vor Augen - die Geschichte des Drucks mit beweglichen Lettern im 15. Jahrhundert bis zum heutigen Rollenoffsetdruck zu erörtern.

Einmal haben wir intensiv den Weg einer gemeinen Feuerwanze verfolgen können, von Gleis sieben, Treppe runter, durch die Unterführung, Treppe rauf zu Gleis fünf. Kaum waren wir mit der gemeinen Feuerwanze auf Gleis fünf angekommen, kam die Durchsage, auf Gleis sieben fahre der Zug ein, wir im Sauseschritt ohne Wanze zurück… war dann aber wohl ein Versehen, kam kein Zug. Dann aber doch, ohne Durchsage. Was macht jetzt der ICE da? Wo fährt der hin? Um 16:07 Uhr ist kein Zug in unsere Richtung vorgesehen.

Ahhh… die Anzeige sagt uns: Es ist der Zug, der um 14:07 Uhr hätte fahren sollen. Und da kommt auch schon die Durchsage: "Heute 120 Minuten Verspätung wegen eines Notarzt-Einsatzes auf der Strecke". Natürlich, man muss stets bedenken: Die Bahn kann überhaupt nie etwas für irgendetwas, sie ist immer bedauernswertes Opfer widriger Umstände… Schnee auf der Oberleitung, Ast auf dem Gleis, kaputte Schranke, Notärzte, vorausfahrende Züge, bestimmt die von den Privaten…

Ich erinnere mich an eine Weihnachtsnacht im Zug. 2003. Wir hätten Heiligabend in Mainz verbringen sollen. Stattdessen saßen wir um 22 Uhr in Frankfurt, mit vier betrunkenen Niederländern im Speisewagen eines Fernzuges, der um 16 Uhr in Amsterdam hätte ankommen sollen. "Vrolijk Kerstfeest".

Auf einer meiner Fahrten musste Wagen 252 evakuiert werden, alle Passagiere und ein Yorkshire-Terrier mit Schleife eilten mit Sack und Pack raus auf den Bahnsteig, der Waggon wurde ausgetauscht, alle wieder rein, warten, nix, Tür kaputt, alle wieder raus, voraussichtliche Ankunftszeit 92 Minuten später, wir bitten um Entschuldigung. Nein, ich entschuldige nicht mehr, ich nehme es nach Jahren des Wartens stoisch hin. Und deswegen, sehr geehrter Herr Weselsky, streiken Sie ruhig, mich können sie nicht mehr schrecken. Schlimmer kann’s kaum werden.

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Constance Schirra