Der nasse Winter 2023/24 und das regnerische Frühjahr müssten dem Wald doch gut getan haben, dachte Friedrich Engels, als er sich an den Bericht zum Zustand der rheinland-pfälzischen Wälder 2024 machte. "Und dann hab ich die Daten gesehen und festgestellt: Mist, das sieht nicht gut aus." Engels ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft.
Die Eiche hatte es besonders schlimm getroffen. Der Anteil der deutlich geschädigten Bäume ist um 20 Prozentpunkte gestiegen. Bei gut einem Drittel der untersuchten Bäume, sogenannten Probebäumen, waren einzelne Astpartien oder die gesamte Oberkrone abgestorben. Außerdem hatte den Eichen durch die feuchtwarme Witterung der Mehltau zugesetzt. "Ich bin dann rausgefahren und das drastischste, was ich gesehen habe, waren Eichen-Gruppen im Nordpfälzerwald, die vollständig grau waren, voller Mehltau." Doch Engels ist ein optimistischer Mensch. "In der Vergangenheit hat sich die Eiche schon öfter von Krisen erholt. Ich hoffe mal, das wird sie wieder schaffen."

Das Problem im vergangenen Jahr: Bei all dem Niederschlag war es im Durchschnitt weiterhin zu warm. "Von Entspannung der Situation kann keine Rede sein", heißt es deshalb auch im Waldzustandsbericht 2024 des rheinland-pfälzischen Umweltministeriums.
Wie es einem Baum geht, erkennt man zuallererst an der Baumkrone. Abgestorbene Äste, dürres Laub oder gar keine Blätter sind eine Reaktion auf Belastungen durch natürlichen oder menschenverursachten Stress. In Rheinland-Pfalz ist der Anteil der deutlich geschädigten Waldbäume um acht Prozentpunkte höher als 2023. Die Belastungen aus den Vorjahren (Dürre und Hitze) und der späte Frost Mitte April 2024 hatten zur Folge, dass die Bäume mit weniger Knospen in den Frühsommer gestartet sind. Pilzbefall und die Belastung durch Schadstoffe in der Luft setzten den Wald unter Stress.

Besonders betroffen sind Buchen, Eichen und Fichten
Von den großen Schäden an den Eichen hat schon der Forstwissenschaftler Friedrich Engels gesprochen. Aber auch den Buchen geht es schlechter. Der Anteil der deutlich geschädigten Buchen ist um zwei Prozentpunkte gestiegen und noch weniger Buchen (minus zwei Prozentpunkte) sind unbeschadet. Bei 31 Prozent der Bäume, die jedes Jahr begutachtet werden, wurden Dürreschäden festgestellt. Den Fichten machte vor allem der Borkenkäfer zu schaffen.

Douglasie hat sich erholt
Etwas besser geht es den Douglasien in rheinland-pfälzischen Wäldern. Der Anteil der deutlich geschädigten Probebäume ist um sechs Prozentpunkte niedriger als 2023. Elf Prozent der überprüften Douglasien waren von dem Pilz "Rußig Douglasienschütte" befallen. Normalerweise sterben die Bäume auch bei starkem Befall nicht ab, allerdings werden sie anfällig für andere Schädlinge, die den Baum dann schwächen.
Weniger Schwefel und Stickstoff in der Luft
Seit mehr als drei Jahrzehnten werden die Schadstoffe in der Luft gemessen und sie sind seither kontinuierlich runtergegangen. Schwefel und Stickstoff in der Luft, die insbesondere durch fossile Brennstoffe freigesetzt werden, sind seit der Einführung schwefelfreier Kraftstoffe deutlich zurückgegangen – seit 1990 um 95 bzw. 94 Prozent. Woran der Wald aber heute noch leidet, sind die Schwefeleinlagerungen im Boden aus den alten Zeiten. Diese "Altlasten" verschlechtern die Bodenqualität (Versauerung), schädigen die Baumwurzeln und beeinträchtigen das Leben im Boden. Ammoniak in der Luft hat dagegen nur wenig abgenommen – seit 1990 nur um 30 Prozent. Ammoniak wird hauptsächlich durch die Landwirtschaft (Tierhaltung und Dünger) in die Umwelt gebracht und wirkt sich wie Stickstoff auf Bäume und Waldböden aus.

Auch 2024 prägten Extreme das Wetter: Starkregen und Hitze
Wie es dem Wald geht, wird nicht nur von der Witterung des aktuellen Jahres bestimmt, sondern auch vom Wetter der Vorjahre.
In der Vegetationszeit der Bäume, also von Mai bis September, war es seit 1997 ausnahmslos zu warm. Von 1995 bis 2024 lag die Jahres-Durchschnittstemperatur um 1,7 Grad höher als in frühindustrieller Zeit (1881-1910). In Rheinland-Pfalz hatten wir 2023/24 einen milden Winter, so dass die Bäume zwei bis drei Wochen früher ausschlugen. Allerdings schädigte ein später Frost Mitte April vor allem empfindliche Laubbaumarten. Dass der Sommer 2024 erst Ende Juli/Anfang August heiß und trocken wurde, kam dem Wald zugute.
DWD: Klimawandel beschleunigt sich Wetterbilanz 2024: Schon wieder ein Wärmerekord
Schon wieder ein Wärmerekord: Der Deutsche Wetterdienst meldet nach 2023 erneut das wärmste Jahr seit Messbeginn 1881. Auch in Rheinland-Pfalz stiegen die Temperaturen erneut an.
Während die Jahre 2018, 2019, 2020 und 2022 trocken waren, gab es von Oktober 2023 bis Juli 2024 mehr Niederschlag. Im Waldzustandsbericht heißt es: "Besonders im November und Mai fiel in Rheinland-Pfalz zum Teil mehr als doppelt so viel Niederschlag wie erwartet, was zu sehr feuchten Böden und teils sogar zu regionaler Vernässung führte. Mitte Mai kam es sogar mancherorts zu Überschwemmungen."
Doch Regen allein nutzt dem Grundwasser nur bedingt. Wichtig ist auch, wann er fällt. In Rheinland-Pfalz sinkt der Grundwasserspiegel seit Jahren. In den Jahren 2010-2015 wurde im Land 21 Prozent weniger Grundwasser neu gebildet als im Zeitraum 1951-2010. Vor allem in der Rheinebene sinken die Grundwasserstände.
Das Problem: Grundwasser bildet sich nur im Herbst und im Winter. Der Regen im Sommer wird von den Pflanzen verbraucht oder verdunstet, bevor er in tiefere Bodenschichten versickern kann. Und je früher es warm wird und die Pflanzen mit dem Wachstum beginnen, umso weniger Grundwasser kann gebildet werden.
Intakte Wälder sind wichtig für Grundwasser in RLP
Intakte Wälder sind aus verschiedenen Gründen extrem wichtig für die Grundwasserbildung. Ein Wald mit vielen dichten Baumkronen sorgt zum Beispiel für Schatten und Abkühlung, so dass weniger Niederschlag verdunstet. Wenn aber in ausgedehnten Dürreperioden der Wald absterben sollte, ginge das gesamte Ökosystem verloren, mit dessen Hilfe Grundwasser neu gebildet wird.
Forstwissenschaftler Friedrich Engels geht nicht davon aus, dass die Wälder ganz absterben. "Aber, dass sie sich verändern werden, davon ist auszugehen. Vielleicht werden wir eine Art Macchia haben mit niedrigeren Bäumen und anderen Baumarten."