Schrottreife Fahrräder an einem Zaun  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)

Verschrotten oder versteigern

Das unternehmen Städte in RLP gegen Schrott-Fahrräder

Stand
AUTOR/IN
Martin Heuser
Martin Heuser ist Redakteur bei SWR Aktuell in Rheinland-Pfalz (Foto: SWR)

Die Felgen verbogen, der Sattel fehlt: In vielen Städten in Rheinland-Pfalz blockieren verlassene, schrottreife Räder die knappen Abstellplätze. Sie zu beseitigen ist gar nicht so leicht.

Video herunterladen (11,1 MB | MP4)

Wer beim Anblick verstaubter, verrosteter und ausgeschlachteter Drahtesel am liebsten zu Flex oder Bolzenschneider greifen will, um das Teil zu entsorgen, sei gewarnt: Das ist Diebstahl! Denn auch ein Schrottrad ist zunächst einmal fremdes Eigentum.

Die Stadt Koblenz greift deshalb zu anderen Mitteln: Sie markiert offensichlich besitzerlose oder schwer beschädigte Räder mit einer orangen Banderole. Im Text wird die Besitzerin/der Besitzer aufgefordert, das Fahrrad bis zu einem bestimmten Datum zu entfernen. In der Regel seien das vier Wochen, sagt Thomas Knaak, Pressesprecher der Stadt. "Steht das Rad nach vier Wochen immer noch da, wird geräumt", so Knaak. Dann rücken Mitarbeiter des Kommunalen Servicebetriebs mit Bolzenschneider und Flex an.

Trauriger Anblick: Ein verwahrlostes Rad am Koblenzer Bahnhof (Foto: SWR, Michael Eiden)
Trauriger Anblick: Ein offenbar besitzerloses und beschädigtes Rad am Koblenzer Hauptbahnhof. Das Ordnungsamt markiert immer wieder solche Räder mit der Aufforderung, sie zu entfernen. Bild in Detailansicht öffnen
Schrottreife Fahrräder türmen sich auf einem Haufen am Kapuzinerplatz in Koblenz (Foto: SWR, Michael Eiden)
Diese Ansammlung verlassener und meist schrottreifer Fahrräder türmt sich am Kapuzinerplatz in Koblenz. Bild in Detailansicht öffnen
Von der Stadt Koblenz markierte Räder am Hapftbahnhof (Foto: SWR, Michael Eiden)
Die mit orangen Banderolen markierten Räder stehen schon lange am Koblenzer Hauptbahnhof. Werden sie nicht innerhalb von vier Wochen abgeholt, landen sie bei gutem Zustand im Fundbüro oder bei schlechtem Zustand im Schrottcontainer. Bild in Detailansicht öffnen
Schrottrad mit Banderole. Besitzer wird aufgefordert, es binnen vier Wochen zu entfernen. (Foto: SWR, Michael Eiden)
Wenn die Besitzerin oder der Besitzer das Rad nicht abholen, werden die Schlösser genackt und der kommunale Servicedienst nimmt es mit. Brauchbare Räder werden zweimal im Jahr vom Fundbüro versteigert. Bild in Detailansicht öffnen

Schrotträder nerven Fußgänger und Radfahrer

Die Schrotträder blockieren zahlreiche Fahrradständer in der Stadt, wie Bilder eines regelrechten "Schrott-Turms" vom Kapuzinerplatz in Koblenz zeigen. Neben Fußgängern, die über die "Radleichen" auf den Bürgersteigen stolpern, ärgern sich auch viele Radfahrerinnen und Radfahrer, weil ihnen Platz zum Anketten ihrer Bikes fehlt.

"Steht das Rad nach vier Wochen immer noch da, wird geräumt."

Verschrotten, reparieren oder versteigern

Auch andere Städte kleben Zettel oder Banderolen an die Räder und setzen eine Frist. Damit entgehen sie möglichen Schadenersatzansprüchen, falls sich die Besitzerin oder der Besitzer doch noch an sein Rad erinnert. Handelt es sich um noch fahrbereite Räder, landen diese ohnehin nicht im Schrott-Container. Die Stadt Hamburg etwa setzt von ca. 5.000 eingesammelten Rädern bis zu 1.500 wieder instand und verkauft sie über eigene Secondhand-Läden.

In Koblenz und Trier werden gut erhaltene Räder im Fundbüro gelagert. 30 bis 40 Stück seien das in Koblenz im Jahr, erklärt Stadtsprecher Knaak, die dann bei zwei Versteigerungen unter den Hammer kommen.

Zwei bis drei Sammlungen in Mainz

In der Landeshauptstadt Mainz werden zwei bis drei mal im Jahr etwa 20 bis 25 ungenutzte oder beschädigte Räder eingesammelt, wie Pressesprecher Ralf Peterhanwahr auf Anfrage mitteilt - die meisten von ihnen rund um den Hauptbahnhof. Die Räder werden zunächst drei Monate eingelagert.

"Sollte ein ehemaliger Besitzer dann doch noch Ansprüche geltend machen und dies glaubhaft belegen können - etwa durch Fotos oder einen Kaufbeleg - wird das Rad selbstverständlich rückübereignet", so Peterhanwahr. Dies komme aber überaus selten vor. Das bestätigt auch der Trierer Stadtsprecher Michael Schmitz. 2021 seien 60 Schrotträder entsorgt worden, im vergangenen Jahr waren es 32, ohne das sich die Eigentümer gemeldet hätten.

Verglichen mit der für ihre Fahrradfreundlichkeit berühmten Stadt Münster sind das nur Peanuts. Hier werden wie in Hamburg oder Köln jährlich zwischen 4.000 und 5.000 Räder von den Behörden eingesammelt. In München blockieren die "Radleichen" nach Berechnungen der Stadt etwa 15 Prozent der öffentlichen Abstellflächen.

Hochschule Mainz hat Handlungsanleitung entwickelt

Inzwischen gibt es eine Handlungsanleitung für den Umgang mit zurückgelassenen oder schrottreifen Fahrrädern. Sie wurde gemeinsam mit den Städten Mainz, Münster, München, Rostock und Erlangen sowie dem Deutschen Städtetag und der Deutschen Bahn von Professor Rainer Hess von der Fachhochschule Mainz entwickelt. Das Papier empfiehlt folgende Kategorien:

  • Rad OK: Das Fahrrad verbleibt weiter am Ort
  • Aufgegebenes Rad/Fundfahrrad: Rad wird mit Banderole markiert und Eigentümer eine Frist von zwei bis sechs Wochen gesetzt. Meldet sich niemand, kann das Rad z.B. versteigert oder als Spende weitergegeben werden.
  • Fahrradwrack: Kann entfernt und verschrottet werden.
  • Gefährdung durch abgestelltes Rad: Sind etwa Rettungswege zugestellt, kann das Rad unverzüglich ohne Markierung und Fristsetzung entfernt werden.

Tipps gelten auch für Vermieter

Das Team um Professor Hess empfiehlt, die vorgenommenen Handlungen mit Fotos zu dokumentieren, zerstörte Schlösser und Ketten beizulegen und brauchbare Fahrräder für mindestens zwei Monate zu lagern. Wegen rechtlicher Unsicherheiten würden viele Städte aufgegebene Räder erst nach langen Standzeiten entfernen. "Die Praxiserfahrungen zeigen jedoch, dass bisweilen kaum Probleme, wie etwa Rechtsstreitigkeiten mit dem Eigentümer auftreten", heißt es in der Handlungsempfehlung.

Die Empfehlung gilt übrigens auch für Vermieter und Hauseigentümer, in deren Fluren, Einfahrten und Höfen zurückgelassene oder zerstörte Fahrräder verstauben.

Mehr zum Thema Radverkehr

RLP

Interview mit Verkehrsforscher Rainer Hess "Fahrradwege müssen von Anfang bis Ende gut sein"

Wie bewegt man mehr Menschen dazu, regelmäßig mit dem Fahrrad zu fahren? Ein entscheidender Anreiz wären gute und durchgehende Radwege, meint der Mainzer Verkehrsexperte Rainer Hess. Im Interview mit SWR Aktuell erläutert er, was Radfahrer besonders stört.

SWR Aktuell Rheinland-Pfalz SWR Fernsehen RP

Trier

Volle Straßen und wenig Platz Trierer Experte: "Wir brauchen mehr Mut beim Ausbau von Radwegen!"

Damit mehr Trierer aufs Fahrrad umsteigen, müssten sie sich auf den Straßen sicherer fühlen. Dafür wäre aber mehr Platz nötig, den es nicht gibt. Andere Lösungen müssen her, sagt Vekehrsexpere Roland Trapp von der Hochschule Trier.

RLP

Über 3.000 Unfälle in 2021 So könnte Fahrradfahren in RLP sicherer werden

Am Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar wird auch über das Thema Radverkehr gesprochen. Es geht darum, was passieren muss, damit Radfahrer sich sicherer im Straßenverkehr bewegen können.

Stand
AUTOR/IN
Martin Heuser
Martin Heuser ist Redakteur bei SWR Aktuell in Rheinland-Pfalz (Foto: SWR)