Ein Antrag auf Ausbildungsförderung (Bafög) liegt auf der Tastatur eines Laptopcomputers. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Fernando Gutierrez-Juarez)

Förderung für Bildung

Warum BAföG noch immer vom Einkommen der Eltern abhängt

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Rafaela Rübsamen
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Die BAföG-Anträge stapeln sich, Bedürftige warten monatelang aufs Geld. Oftmals ist ein Grund, dass die Angaben der Eltern unvollständig sind. Wird es Zeit für eine elternunabhängige Förderung?

Im vergangenen Jahr haben so wenig junge Menschen wie nie in Rheinland-Pfalz Unterstützung nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) erhalten. Insgesamt 24.845 Menschen erhielten eine finanzielle Unterstützung für das Studium, die Ausbildung, um Abitur zu machen oder sich anders weiterzubilden. 2017 waren es noch fast 10.000 Menschen mehr.

Die Bundesweiten Zahlen sehen nicht besser aus. Seit der Einführung von BAföG - was nicht nur Studierenden hilft, sondern auch Abiturienten, Auszubildenden und anderen in der Weiterbildung - hat sich die Zahl der Empfänger und Empfängerinnen kaum geändert. Ähnlich sieht es in Rheinland-Pfalz aus: Hier geht die Zahl der BAföG-Empfänger seit Jahren zurück. 2021 lag sie so niedrig, wie in den vergangenen zehn Jahren nicht.

Studierende und BAföG-Empfänger überproportional armutsgefährdet

Das bedeutet aber nicht, dass sich die finanzielle Situation der Studierenden oder Eltern so sehr gebessert hat, dass immer weniger Menschen auf finanzielle Unterstützung vom Staat bei der Ausbildung angewiesen sind. Laut einer aktuellen Auswertung des Paritätischen Verbands waren 2020 knapp 30 Prozent der Studierenden von Armut betroffen.

Damit sind sie gemessen am Rest der Bevölkerung deutlich überrepräsentiert, dort liegt die Quote bei 16,8 Prozent. Bei Studierenden, die Bafög erhalten, ist die Lage noch prekärer. Circa 45 Prozent von ihnen leben unter der Armutsgrenze von 1.266 Euro im Monat.

Jens Stoewesand, Pressesprecher vom rheinland-pfälzischen Landesverband der Paritäter sagt, dass auch die BAföG-Reform im August eine "Nullrunde" gewesen sei, da die Erhöhung nicht ansatzweise die Inflation aufgefangen hätte. Der Landesverband fordert, dass die BAföG-Bezüge an das Bürgergeld angepasst werden.

Hürden bei den BAföG-Anträgen weiter hoch

Aber auch die Hürden für BAföG müssen offenbar verringert werden. Dieter Dohmen, Direktor des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie, schätzt, dass 40 bis 60 Prozent derer, die berechtigt wären, BAföG zu erhalten, keine Anträge stellen.

Zum Teil, weil sie ihre Ausbildung selbst finanzieren, zum Teil aber auch, weil sie das BAföG nicht kennen oder auch sich nicht verschulden wollen. Andere wiederum schrecken vor den bürokratischen Hürden zurück. Zum Beispiel die Finanzen der Eltern: Bis heute muss unter anderem detailliert aufgeführt werden, über welche finanziellen Möglichkeiten Eltern verfügen. Dies kann eine Herausforderung sein, insbesondere in Zeiten, in denen in Rheinland-Pfalz nicht mal mehr die Hälfte der Menschen in "klassischen Familien" mit verheirateten Eltern und Kindern leben.

Wie bei Annika Kiefer, die sich im Asta der Hochschule Trier engagiert. Ihr leiblicher Vater hat den Kontakt abgebrochen und es bedarf immensen Aufwands, damit er die erforderlichen Dokumente bereitstellt.

Elternunabhängiges BAföG als Lösung?

Wäre es also nicht an der Zeit, das Bafög grundlegend zu reformieren? Es an die veränderten Lebenssituationen anzupassen und von den Eltern losgelöst zu denken? Jein, sagt Dieter Dohmen. Er ist dafür, das BAföG umfassend zu überarbeiten. Dohmen schlägt vor, den Regelsatz an die Lebenshaltungskosten anzupassen und die Förderdauer auszuweiten. Seiner Ansicht nach sollte auch das Höchstalter der Studierenden flexibler gestaltet werden, ebenso Fachwechsel.

BAföG elternunabhängig anzubieten, gehört für Dohmen nicht zu den drängenden Fragen. Er weist darauf hin, dass Deutschland eines der wenigen Länder ist, in denen es keine Studiengebühren gibt. Auch sei der Verdienst nach dem Studium deutlich höher als nach einer Ausbildung. "Wenn das BAföG elternunabhängig werden soll, dann müssen gleichzeitig etliche andere Regelungen ebenfalls angepasst werden, um Ungerechtigkeiten an anderer Stelle zu verhindern", so Dohmen.

Eltern weiterhin in der Verantwortung für die Ausbildung ihrer Kinder

Er sehe auch weiterhin viele Eltern, die sich selbst in der Verantwortung sähen, für die Ausbildung der Kinder zu zahlen, auch wenn sich Familienmodelle verändern würden. "Diese soziale Verantwortung gibt es auch in Familienmodellen, die nichts mit biologischer Verwandtschaft zu tun haben." Auf der anderen Seite lebten weite Teile der Gesellschaft, wie auch das gesetzliche Unterhaltsrecht, noch immer in eher konservativer Tradition, weswegen es nicht einfach wäre, das BAföG an dieser Stelle grundsätzlich zu überarbeiten.

Andere Modelle der BAföG-Finanzierung sollten in Betracht kommen

Es ist daher zu diskutieren, ob man die Verantwortung für die Studienfinanzierung einfach weiterreichen solle, so Dohmen. "Anders gesagt: Bei einer elternunabhängigen Förderung nehme ich für meine individuelle Freiheit diejenigen in Anspruch, die nicht unmittelbar vom Studium profitieren. "Wenn man die Eltern entlasten würde, gäbe es zwei Möglichkeiten: Sie hätten mehr Geld für eigenen Konsum oder würden den Kindern ein höheres Erbe hinterlassen. Beides sei nicht die Aufgabe des Staates, dies zu fördern."

"Wenn man über elternunabhängige Förderung nachdenke, dann müsste man daher auch über andere Modalitäten beim BAföG nachdenken", sagt Dohmen. Beispielsweise, dass es noch stärker als bisher als Darlehen angeboten werde, welches dann - ähnlich wie in den USA - von den Studierenden während der Erwerbstätigkeit zurückgezahlt werden müsse. Oder man müsse die Erbschaftssteuer erhöhen, wenn jemand elternunabhängige Förderung erhalten habe. Dohmen, der sich während seiner akademischen Laufbahn viel mit Bildungschancen in den ökonomischen Schichten befasst hat, sei selbst aber "hin und her gerissen", bei der Frage, ob das Bafög elternunabhängiger gestaltet werden sollte.

Annika Kiefer von der Universität Trier hingegen kann die Frage klar beantworten: Nur das Einkommen der Studierenden soll als Grundlage für BAföG-Anträge dienen.

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