In der Zeit von Spiegels Urlaub zwischen dem 23. Juli und dem 29. August sei somit auch das Umweltministerium bei den Kabinettssitzungen dabei gewesen, sagte Dreyer am Montag in Altenahr. Zu Forderungen nach einem Rücktritt der Bundesfamilienministerin äußerte sie sich nicht und verwies darauf, dass Spiegel nicht mehr in ihrem Kabinett sei.
Anders als sonst in der parlamentarischen Sommerpause habe das Sonderkabinett in Mainz nach der Flutkatastrophe vom 14. Juli erst zweimal, später einmal in der Woche getagt, sagte die Regierungschefin. Ministerinnen und Minister seien für ihren Urlaub nicht auf eine Genehmigung der Staatskanzlei angewiesen. Sie müssten nur ihre Vertretung durch einen Staatssekretär oder eine Staatssekretärin sicherstellen. "Das ist auch erfolgt", so Dreyer.
Spiegel entschuldigt sich für Urlaubsreise nach der Flutkatastrophe
Die heutige Bundesfamilienministerin hatte am Sonntagabend eine emotionale Erklärung abgegeben. Spiegel sprach öffentlich darüber, dass ihr Mann 2019 einen Schlaganfall erlitten habe und sich schonen müsse. Ihre vier Kinder seien "nicht gut durch die Corona-Pandemie gekommen", so Spiegel. Sie habe daher entschieden, den Urlaub anzutreten und sich um ihre Familie zu kümmern. Das Wort Rücktritt fiel in Spiegels Statement nicht.
Die Erklärung von Anne Spiegel in voller Länge
Spiegel räumt falsche Angabe ein
Spiegel sagte, sie habe sich sofort nach der Flut um die Wiederherstellung der Trinkwasser- und Stromversorgung sowie die Kläranlagen gekümmert. Sie sei zudem auch im Urlaub in Kontakt mit ihrem Ministerium gewesen. Allerdings habe sie sich - anders als von ihr zunächst angegeben - nicht zu Kabinettssitzungen zugeschaltet. "Ich habe nicht aus dem Urlaub heraus an einer Kabinettssitzung teilgenommen", so die Grünen-Politikerin. Sie habe den Urlaub aber für einen Tag unterbrochen, um ins Ahrtal zu fahren, und sei danach wieder zu ihrer Familie geflogen.
"Diese Entscheidung war ein Fehler und dafür bitte ich um Entschuldigung."
Spiegel im Familienurlaub in Frankreich
Anne Spiegel war kurz nach der Flutkatastrophe im Ahrtal in einen mehrwöchigen Urlaub gefahren. Das Klimaschutzministerium in Mainz hatte dem SWR einen entsprechenden Bericht der "Bild am Sonntag" bestätigt. Spiegel habe zehn Tage nach der Flut mit ihrer Familie einen vierwöchigen Urlaub in Frankreich angetreten.
Die Ministerin sei stets erreichbar gewesen, so der Sprecher. Nach seinen Angaben hatte sie an Kabinettssitzungen per Telefon oder Video teilgenommen. Einmal habe sie den Urlaub für einen Termin im Ahrtal unterbrochen. Anfang August besuchte Spiegel eine Kläranlage in Dümpelfeld (Kreis Ahrweiler). Ihre übrigen Amtsgeschäfte hatte sie laut Ministerium an ihre Staatsekretäre delegiert.
Bundeskanzler Scholz: "bewegt und betroffen" von Spiegel-Statement
Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann sagte am Montag in Berlin, dass Anne Spiegel weiter das Vertrauen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) genieße. Er "arbeite eng und vertrauensvoll mit ihr zusammen". Scholz habe das Statement der Grünen-Politikerin am Sonntagabend gesehen. Der Auftritt habe ihn bewegt und betroffen gemacht. Er sei persönlich sehr beeindruckt von dem Auftritt gewesen.
Landes-Grüne verteidigen Spiegel
Der Landesverband der Grünen in Rheinland-Pfalz war nach Angaben eines Vorstandsmitglieds über den Sommerurlaub der damaligen Umweltministerin Anne Spiegel informiert. "Der war natürlich allen bekannt", sagte am Montag der Grünen-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Bernhard Braun, der dem erweiterten Landesvorstand der Partei angehört. Es gebe "keine Geheimurlaube" von Ministerinnen oder Ministern.
Die Landeschefin der Grünen, Nathalie Cramme-Hill, sagte dem SWR, man wünsche sich ja nahbare Politiker und Politikerinnen. "Wir stehen nach wie vor hinter Anne Spiegel. Sie hat schon Großes geleistet als Familienministerin in Rheinland-Pfalz. Und sie war unsere Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl." Es seien zwar Fehler gemacht worden, aber sie seien auch zugegeben worden. Spiegel habe nicht "drumrum geredet", so Cramme-Hill.
Wefelscheid: "Spiegel-Statement entkräftet Rücktrittsforderung nicht"
Stephan Wefelscheid, Obmann der Freie Wähler-Fraktion im Untersuchungs-Ausschuss "Flutkatastrophe", wirft Spiegel "Flucht vor der Verantwortung" vor und forderte weiterhin Spiegels Rücktritt. "Das Pressestatement von Anne Spiegel war nicht geeignet, die Rücktrittsforderung zu entkräften. Nach wie vor steht der Vorwurf im Raum, dass die enorm wichtige Lageeinschätzung der Präsidentin des Landesamtes für Umwelt vom Abend der Flutnacht – ´hier bahnt sich eine Katastrophe an´ – die Einsatzkräfte, den Innenminister und die Ministerpräsidentin nicht erreicht hat."
Dafür trage Anne Spiegel als damalige Umweltministerin die Verantwortung. Zu diesem Zeitpunkt sei sie noch nicht im Urlaub gewesen. Wefelscheid bezweifelte, ob die Ministerin aus dem Urlaub heraus in der Lage gewesen sei, ihr Ministerium zu führen und die nötigen Schritte angesichts der Opfer und Schäden zu ergreifen. Die Abläufe müssten nun in den nächsten Wochen im Untersuchungsauschuss geklärt werden.
Neben Spiegel müsse auch gleich Umwelt-Staatssekretär Erwin Manz (Grüne) seinen Hut nehmen, hatte Wefelscheid schon zuvor gefordert. Spätestens nach den Aussagen von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), Innenminister Roger Lewentz (SPD) und dessen Staatssekretär Randolf Stich (SPD) am späten Freitagabend vor dem Untersuchungsausschuss sei auch Manz nicht mehr zu halten, so der Parlamentarische Geschäftsführer der Freien Wähler.
Auch AfD sieht Spiegel gescheitert und beharrt auf ihrem Rücktritt
Der Vorsitzende der AfD-Landtagsfraktion und Obmann im Untersuchungsausschuss, Michael Frisch, ließ Spiegels Entschuldigung ebenfalls nicht gelten. "Wenn die Geschichte stimmt, die Frau Spiegel gestern hochemotional erzählt hat, dann beweist gerade sie, dass die Ministerin heillos überfordert ist. Es war ihre eigene Entscheidung, nach der schweren Erkrankung ihres Mannes ihre politische Karriere voranzutreiben, die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl anzunehmen, ein zweites Ministerium zu übernehmen, stellvertretende Ministerpräsidentin zu werden und dann auch noch als Ministerin nach Berlin zu gehen." Wenn man mit diesen vielen Ämtern angesichts der familiären Situation überfordert sei, dürfe man sie nicht annehmen, sagte Frisch am Montag. Niemand werde gezwungen, Ministerin zu werden.
Baldauf hatte schon vor Spiegels Entschuldigung ihren Rücktritt verlangt
Der rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende Christian Baldauf hatte bereits nach Bekanntwerden der Reise Spiegel erneut zum Rücktritt aufgefordert. Dem SWR sagte Baldauf, Spiegel habe nach der Flutkatastrophe die falschen Prioritäten gesetzt. Sie sei politisch nicht mehr tragbar und müsse die Konsequenzen ziehen.
Weitere Vorwürfe gegen Ex-Umweltministerin
Spiegel steht außerdem wegen SMS aus der Flutnacht in der Kritik. Ihr wird vorgeworfen, am Tag nach der Flutkatastrophe nur auf ihr politisches Ansehen bedacht gewesen zu sein. Das wies sie als Zeugin im Untersuchungsausschuss zur Flut im rheinland-pfälzischen Landtag Mitte März zurück. "Es ist absolut falsch und ich weise entschieden zurück, dass ich irgendwann eine andere Priorität hatte", sagte die Grünen-Politikerin. Die SMS seien nur zwei von Tausenden Nachrichten an dem Tag gewesen, sagte sie im März. Der CDU-Fraktionschef im Landtag in Mainz, Christian Baldauf, forderte Spiegel deshalb bereits zum Rücktritt auf.