Der mutmaßliche Amokfahrer von Trier - beging er seine schreckliche Tat aus einem bizarren Wahn heraus? Das ist jedenfalls die Ansicht eines Gutachters. Er hat dem Angeklagten vor dem Landgericht Trier attestiert, unter einer paranoiden Schizophrenie zu leiden und deshalb vermindert schuldfähig zu sein.
Mutmaßlicher Amokfahrer von Trier vermindert schuldfähig Amokprozess: Gutachter empfiehlt Unterbringung in Psychiatrie
Der mutmaßliche Amokfahrer von Trier ist einem psychiatrischen Gutachten zufolge vermindert schuldfähig. Das sagte der Gutachter am Mittwoch im Prozess vor dem Landgericht Trier.
Auch im Prozess um den getöteten Tankstellen-Mitarbeiter in Idar-Oberstein geht es um die Frage, ob der mutmaßliche Täter zum Zeitpunkt der Tat vermindert schuldfähig war. Der Angeklagte hatte angegeben, vor der Tat mindestens fünf Liter Bier getrunken zu haben. Ein psychiatrischer Gutachter ist jedoch zu dem Schluss gekommen, dass der Mann trotzdem "voll schuldfähig" ist.
Keine Strafe ohne Schuld
Um den Begriff der Schuldfähigkeit zu verstehen, muss zunächst einmal geklärt werden, was "Schuld" im juristischen Sinne eigentlich ist. Grundsätzlich ist im deutschen Recht jede Person ab 14 Jahren schuldfähig. Das heißt: Wenn sie ein Unrecht begeht, "kann sie etwas dafür", sie ist in der Lage, das Falsche ihres Tuns zu erkennen. Schuldhaft handeln kann man sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig. Schuld ist im deutschen Recht die Voraussetzung dafür, dass eine Tat überhaupt bestraft wird. Wer schuldlos handelt, bleibt straffrei.
Vier Gründe für verminderte Schuldfähigkeit
In diesem Sinne werden auch Täter nicht bestraft, die nach §20 StGB schuldunfähig sind. Nach Angaben von Tabitha Schulze-Bünte von der SWR-Rechtsredaktion gelten für eine solche Einordnung aber hohe Hürden. Niedriger liegt die Schwelle für die Einstufung als vermindert schuldfähig. Im Gesetz werden dazu vier mögliche Voraussetzungen genannt (§21 StGB):
- Krankhafte seelische Störungen
- Tiefgreifende Bewusstseinsstörungen
- Intelligenzminderungen
- Andere schwere seelische Störungen
Unter den Begriff der krankhaften seelischen Störung können bestimmte psychische Erkrankungen fallen, aber auch vorübergehende Beeinträchtigungen durch den Konsum von Rauschmitteln, zum Beispiel Alkohol.
Mit tiefgreifenden Bewusstseinsstörungen sind etwa Erschöpfungszustände, aber auch Übermüdung gemeint.
Eine Intelligenzminderung kann beispielsweise eine angeborene Intelligenzschwäche sein.
Unter den Begriff der anderen schweren seelischen Störungen werden verschiedene andere Phänomene gefasst, beispielsweise Neurosen.
Wie wirkt sich verminderte Schuldfähigkeit auf das Strafmaß aus?
Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass ein Täter eine Tat im vermindert schuldfähigen Zustand begangen hat, kann es die zu verhängende Strafe mildern. Es ist hierzu aber nicht verpflichtet. Nach Angaben von Schulze-Bünte müssen sich aber auch abgemilderte Strafen in einem gewissen Strafrahmen bewegen. So dürfen etwa Taten, die bei voller Schuldfähigkeit mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet würden, nicht auf eine Freiheitsstrafe unter drei Jahren abgemildert werden.
Darüber hinaus kann das Gericht unter bestimmten Umständen anordnen, dass ein vermindert schuldfähiger Täter in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wird, sofern er als für die Allgemeinheit gefährlich eingestuft wird (§63 StGB).
Vermindert schuldfähig wegen Alkohol
In welchem Maße Alkohol und Drogen das Bewusstsein trüben und die Hemmschwelle für Aggressionen senken, lässt sich nicht an festen Werten ablesen. So sind Blutalkoholwerte, die die Polizei bei einem Täter nach der Tat gemessen hat, zwar vor Gericht ein wichtiges Indiz. Angeklagte können aber nicht sicher davon ausgehen, dass sie ab einem bestimmten Promillewert automatisch als vermindert schuldfähig eingestuft werden. Es gibt allerdings Richtwerte, die eine solche Annahme wahrscheinlich machen: Ab zwei Promille (bei Tötungsdelikten 2,2 Promille) kommt Schulze-Bünte zufolge eine verminderte Schuldfähigkeit regelmäßig in Betracht.
Sofern das Gericht von einer Suchtkrankheit ausgeht und die Gefahr sieht, dass ein Täter im berauschten Zustand weitere Straftaten begehen wird, kann es unter bestimmten Umständen auch die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen (§64 StGB).