Damit zeichnet die Unesco erstmals jüdisches Kulturgut in Deutschland aus, indem die begehrte Auszeichnung an die sogenannten SchUM-Stätten Mainz, Worms und Speyer als eine Wiege des europäischen Judentums geht. SchUM ist eine Abkürzung aus den mittelalterlichen hebräischen Anfangsbuchstaben der Städte Speyer (Schpira), Worms (Warmaisa) und Mainz (Magenza).
Dreyer und Lewentz: "Großer Erfolg"
"Die Denkmäler der SchUM-Städte sind nicht nur steinerne Zeitzeugen einer außergewöhnlich reichen jüdischen Geschichte in unserem Land", sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). "Sie stehen auch für den Kulturtransfer zwischen Christentum und Judentum und mahnen uns, dies als gemeinsame große Chance zu sehen." Auch Innenminister Roger Lewentz (SPD) hat die Entscheidungen des Welterbe-Komitees der Unesco als "sehr, sehr großen Erfolg" begrüßt. Damit werde zum ersten Mal das herausragende jüdische Kulturauserbe in Deutschland ins Welterbe aufgenommen, sagte Lewentz. "Das macht uns besonders stolz."
Böhmer: "Schutz und Erhalt"
Die Präsidentin der deutschen Unesco-Kommission, Maria Böhmer, hat die Entscheidung der UN-Organisation begrüßt. Es gehe um Schutz und Erhalt dieses Erbes. "Und es ist das einzigartige jüdische Erbe, was wir am Rhein besitzen", sagte sie im SWR.
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Jüdische Gemeinde: "Tag großer Freude"
"Dies ist ein Tag großer Freude", sagte die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde von Mainz und Worms, Anna Kischner. Sie hoffe, dass sich der Blick der nun erwarteten Touristen weite für die Schönheit der jüdischen Kultur und dass sie dann Botschafter werden könnten für die jüdischen Leute, die heute hier am Rhein leben.
Die jüdischen Gemeinde Mainz-Worms sei stolz darauf, dass "wir Juden zum weltweiten Ansehen von Rheinland-Pfalz beitragen können", sagte Kischner. Der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER), Moskaus Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt, erklärte: Die Entscheidung markiere, "welchen wertvollen Beitrag jüdische Kultur seit vielen Jahrhunderten auch für Europas Kultur leistet".
Städtetag: "Anerkennung wird ausstrahlen"
Der Mainzer katholische Bischof Peter Kohlgraf schrieb auf Facebook, dies sei eine großartige Entscheidung. "Die Gläubigen aus dem Judentum haben unsere Kultur geprägt, und sie gehören auch heute zu uns", betonte Kohlgraf. Er sei auch deswegen dankbar, in Mainz Bischof zu sein. "Unseren jüdischen Geschwistern einen ganz herzlichen Glückwunsch, Dank und Anerkennung."
Auch der rheinland-pfälzische Städtetag gratulierte zur Auszeichnung der SchUM-Städte. "Heute ist ein historischer Tag", hieß es in einer Mitteilung. Mit der Anerkennung der jüdischen Stätten werde die Bedeutung des jüdischen Erbes für die Städte deutlich aufgewertet und seine Pflege für die Zukunft gesichert, so Michael Mätzig, Geschäftsführender Direktor des Städtetages. Die Anerkennung "wird weit über die drei Städte hinaus auf die gesamte Region positiv ausstrahlen und einem nachhaltigen Städtetourismus Auftrieb geben."
"Jerusalem am Rhein"
Das Land hatte den Welterbeantrag im Januar 2020 beim Unesco-Welterbezentrum eingereicht.

Die SchUM-Städte, auch "Jerusalem am Rhein" genannt, gelten als eine Wiege des europäischen Judentums. Sie waren im Mittelalter Zentren jüdischer Kultur und Gelehrsamkeit. Bis in die Gegenwart blieben aus dieser Zeit aber nur wenige sichtbare Spuren erhalten. Viele Erinnerungen an die einst reiche jüdische Geschichte der drei Städte wurden bei judenfeindlichen Pogromen, Kriegen oder während der NS-Diktatur zerstört.
Zur Anerkennung als Unesco-Welterbe waren neben dem Friedhof Heiliger Sand und dem Gelände der Wormser Synagoge auch der Judenhof in Speyer mit seiner uralten Mikwe - dem jüdischen Ritualbad - und die alten jüdischen Grabsteine auf dem Mainzer Judensand vorgeschlagen worden.
Auch der niedergermanische Limes ausgezeichnet
Entschieden wurde außerdem über den niedergermanischen Limes. Den Antrag hatten die Niederlande sowie die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gemeinsam gestellt. In dem Gebiet waren vor etwa 2.000 Jahren bis zu 30.000 Soldaten an der damaligen Außengrenze des Römischen Reichs zu Germanien stationiert. Rheinland-Pfalz ist mit dem Kastell Remagen vertreten.
Die Entscheidung fällte das Welterbekomitee der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (Unesco). Die Sitzung fand online statt und wurde aus der chinesischen Stadt Fuzhou geleitet. Insgesamt zwei Wochen lang berieten die Mitglieder über die Auszeichnung bedeutender Kultur- und Naturstätten in der Welt.
Drei Bewerbungen für Unesco-Welterbe aus Rheinland-Pfalz
Weltweit waren mehr als 40 neue Stätten nominiert. Bereits am Samstag war Bad Ems (Rhein-Lahn-Kreis) gemeinsam mit elf anderen Städten als "Great Spas of Europe" mit dem Welterbetitel ausgezeichnet worden.
Nach der Auszeichnung der Kurorte Baden-Baden, Bad Ems und Bad Kissingen gemeinsam mit acht anderen europäischen Bädern sowie der Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt am Wochenende kann sich Deutschland auf der laufenden Sitzung mit insgesamt vier neuen Welterbetiteln schmücken. Als Welterbe werden nur Kultur- und Naturstätten von herausragendem universellen Wert ausgezeichnet.